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Karlsruher Notgemeinschaft

Version vom 15. September 2022, 10:48 Uhr von Stadtarchiv3 (Diskussion | Beiträge)
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Dankschreiben der Karlsruher Notgemeinschaft an die Residenzlichtspiele GmbH für Spenden und freien Eintritt von Filmvorführungen, 29. Januar 1932, Stadtarchiv Karlsruhe 7/Nl Residenztheater 146.
Information der Karlsruher Notgemeinschaft an Hilfsbedürftige, Februar 1946, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS X 2751.

Karlsruher Notgemeinschaft

Schon Ende des Jahres 1922, als sich eine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage vor allem infolge der Fahrt aufnehmenden Inflation bereits ankündigte, wurde eine "Ortsgruppe Karlsruhe der Deutschen Notgemeinschaft" gegründet, die sich unter der Überschrift "Rettet ! Helft !" an die Bevölkerung wandte und um Spenden bat. Der Notgemeinschaft, die ihre Geschäftsstelle im städtischen Fürsorgeamt erhielt, gehörten zahlreiche Vereine, Behörden und Religionsgemeinschaften an. In einem Arbeitsausschuss saßen unter Leitung von Oberbürgermeister Julius Finter zahlreiche Honoratioren der Stadt.

An diese Notgemeinschaft schloss während der Weltwirtschaftskrise die nun explizit als Karlsruher Notgemeinschaft, ein Zusammenschluss privater und öffentlicher Einrichtungen, gegründete Organisation an. Ihre Aufgabe bestand darin, hilfsbedürftigen Menschen im Stadtgebiet in den Wintermonaten bei der Sicherung ihrer elementaren Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und einer warmen Unterkunft zu helfen. Diese Maßnahme war notwendig geworden, nachdem die Zahl der arbeitslos gewordenen und in der Folge auf Unterstützung angewiesenen Menschen in Karlsruhe innerhalb kurzer Zeit stark gestiegen war und diese Herausforderung durch das städtische Fürsorgeamt nicht mehr allein bewältigt werden konnte.

Zum ersten Mal wurde die Karlsruher Notgemeinschaft am 10. November 1930 vom damaligen Karlsruher Oberbürgermeister Julius Finter ins Leben gerufen. Die Trägerschaft bestand aus 45 Institutionen und Organisationen, darunter kirchliche Verbände, beide jüdischen Religionsgemeinden, Gewerkschaften, die Handels- und die Handwerkskammer, der Stadtrat und der Stadtverordnetenvorstand sowie mehrere karitative Verbände und Wohlfahrtsorganisationen.

Neben dem Hauptausschuss, in dem führende Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Handwerk, Kultur und Religion vertreten waren, wurde die eigentliche Arbeit der Notgemeinschaft im Arbeitsausschuss und im Werbeausschuss geleistet. Finter als Vorsitzender des Arbeitsausschusses rief die Bevölkerung dazu auf, Lebensmittel, Kleidung, Geld und Brennstoff zu spenden. Die weiteren Mitglieder des aus zwölf Personen bestehenden Arbeitsausschusses waren für die Organisation, Verwaltung und Verteilung der Spenden zuständig. Für die Bekanntmachung der Spendenaufrufe in Form von Plakaten, Reklameschildern, Rundschreiben und Zeitungsinseraten sorgte der Werbeausschuss.

Die Spendenbereitschaft in der Karlsruher Bevölkerung war trotz der allgemeinen Krise sehr hoch. So kamen für die rund 18.500 Bedürftigen im ersten Jahr neben zahlreichen Sachspenden 102.000 Reichsmark zusammen, im zweiten Jahr erhöhte sich diese Summe um mehr als das Doppelte.

Die erfolgreiche Arbeit der Notgemeinschaft führte 1932 zur Ausweitung ihres Tätigkeitsbereichs. Unter der Leitung von Franz Gurk wurde ein Ausschuss für Bildungsfragen eingerichtet, der zur Aufrechterhaltung der Lebensfreude den kostenlosen Besuch von Theater-, Musik- und Sportveranstaltungen ermöglichen sollte.

Die Karlsruher Notgemeinschaft, deren Geschäftsstelle sich beim Badischen Frauenverein zunächst in der Stephanienstraße 74 und anschließend in der Gartenstraße 47 befand, wurde im September 1933 aufgelöst und ihr Vermögen an das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes übergeben, das auch ihre Aufgaben übernahm.

Auf Initiative des damaligen Oberbürgermeisters Hermann Veit wurde die Karlsruher Notgemeinschaft im November 1945 wiedergegründet. Neben der Essensversorgung aus einer Großküche wurden erneut zahlreiche Sachspenden gesammelt, darunter nun auch Küchenutensilien und Möbel. Zum 31. Mai 1952 wurde die Karlsruher Notgemeinschaft endgültig aufgelöst.

René Gilbert 2015

Quellen

StadtAK 1/BVA 50, 109, 1/H-Reg 1925, 1982-1987, 1/POA 2/687, 1/SJB 640; Statistisches Amt der Stadt Karlsruhe (Hrsg.): Karlsruhe in Zahlen 1946, S. 12-16, Karlsruhe in Zahlen 1947, 1. Halbjahr, S. 27-29, 2. Halbjahr, S. 32 f., Karlsruhe in Zahlen 1948, S. 43 f.

Literatur

Manfred Koch: Karlsruher Chronik. Stadtgeschichte in Daten, Bildern, Analysen, Karlsruhe 1992, S. 162 f., S. 170, S. 188 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 14), Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 2. September 2022); Ernst Otto Bräunche: Residenzstadt, Landeshauptstadt, Gauhauptstadt. Zwischen Demokratie und Diktatur 1914-1945, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe – Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 357-502, hier S. 398 f. und S. 404-413, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 2. September 2022); Manfred Koch: Trümmerstadt – Residenz des Rechts – Zentrum der Technologieregion – Wechselvoller Weg in die Gegenwart, in: ebd., S. 519-673, hier S. 545.