Menü
Suche

De:Lexikon:ins-1896: Unterschied zwischen den Versionen

Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 5: Zeile 5:
=Alldeutscher Verband=
=Alldeutscher Verband=


Der nationalistisch-völkisch ausgerichtete Alldeutsche Verband wurde 1891 in Berlin als Allgemeiner Deutscher Verband unter anderem auf Betreiben des Verlegers Alfred Hugenberg und des Kolonialisten Carl Peters mit dem Ziel gegründet, den deutschen Flottenausbau für eine imperialistische Kolonialpolitik zu forcieren, das Nationalbewusstsein zu stärken und das Deutschtum im Ausland zu fördern. Nach der Umbenennung in Alldeutscher Verband im Juli 1895 dauerte es noch mehr als drei Jahre, bis in Karlsruhe eine Ortsgruppe entstand. Als der Karlsruher Vertrauensmann des Verbandes, der Anthropologe und Schriftsteller <lex id="bio-2085">Otto Ammon</lex>, am 3. November 1898 zu einer Besprechung zur Gründung einer Ortsgruppe einlud, zählte der Verband 40 Mitglieder in Karlsruhe. Zum provisorischen Vorstand gehörten unter anderen der Gymnasialprofessor <lex id="bio-0692">Robert Goldschmit</lex> und der <lex id="top-0558">Durlacher</lex> Bürgermeister <lex id="bio-0824">Philipp Reichardt</lex>. Auch der Karlsruher <lex id="ins-1014">Oberbürgermeister</lex> <lex id="bio-0023">Karl Schnetzler</lex> unterzeichnete wenig später am 23. November einen Aufruf zum Beitritt. Bereits am 12. Dezember fanden erste Veranstaltungen statt, so Ende des Monats eine Flottenversammlung mit 3.000 Teilnehmern in der <lex id="ins-1233">Festhalle</lex>. Die Mitgliederzahl war inzwischen auf rund 200 angestiegen.
Der nationalistisch-völkisch ausgerichtete sowie antisemitisch und rassistisch geprägte Alldeutsche Verband wurde 1891 in Berlin als Allgemeiner Deutscher Verband unter anderem auf Betreiben des Verlegers Alfred Hugenberg und des Kolonialisten Carl Peters mit dem Ziel gegründet, den deutschen Flottenausbau für eine imperialistische Kolonialpolitik zu forcieren, das Nationalbewusstsein zu stärken und das Deutschtum im Ausland zu fördern. Nach der Umbenennung in Alldeutscher Verband im Juli 1895 dauerte es noch mehr als drei Jahre, bis in Karlsruhe eine Ortsgruppe entstand. Als der Karlsruher Vertrauensmann des Verbandes, der Anthropologe und Schriftsteller <lex id="bio-2085">Otto Ammon</lex>, am 3. November 1898 zu einer Besprechung zur Gründung einer Ortsgruppe einlud, zählte der Verband 40 Mitglieder in Karlsruhe. Zum provisorischen Vorstand gehörten unter anderen der Gymnasialprofessor <lex id="bio-0692">Robert Goldschmit</lex> und der <lex id="top-0558">Durlacher</lex> Bürgermeister <lex id="bio-0824">Philipp Reichardt</lex>. Auch der Karlsruher <lex id="ins-1014">Oberbürgermeister</lex> <lex id="bio-0023">Karl Schnetzler</lex> unterzeichnete wenig später am 23. November einen Aufruf zum Beitritt. Bereits am 12. Dezember fanden erste Veranstaltungen statt, so Ende des Monats eine Flottenversammlung mit 3.000 Teilnehmern in der <lex id="ins-1233">Festhalle</lex>. Die Mitgliederzahl war inzwischen auf rund 200 angestiegen.


In der kurz darauf folgenden ersten Hauptversammlung des Verbandes wurde der provisorische Vorstand im Amt bestätigt und um drei neue Mitglieder auf zwölf erweitert. Der Vorsitzende Otto Ammon stellte fest, dass von den <lex id="ins-0330">Sozialdemokraten</lex> eine Unterstützung ja gar nicht erst zu erwarten gewesen sei, bedauerte aber, dass kein Vertreter der <lex id="ins-0339">Zentrumspartei</lex> für den Vorstand gewonnen werden konnte. Das Zentrumsblatt <lex id="ins-1153">Badischer Beobachter</lex> äußerte sich dagegen sehr zufrieden, dass niemand aus der Zentrumspartei dem Vorstand des Verbandes beigetreten sei, dessen Bestrebungen eben keine wirklich "nationaldeutschen" seien, sondern auf eine Unterdrückung "aller Elemente" hinauslaufe, "die keinen Gefallen finden an diesem deutschen Chauvinismus." Dagegen waren die drei Burschenschaften <lex id="ins-1897">Arminia</lex>, <lex id="ins-1898">Germania</lex> und <lex id="ins-1899">Tuiskonia</lex> sowie der <lex id="ins-1900">1. Karlsruher Bicycle-Club</lex> beigetreten.
In der kurz darauf folgenden ersten Hauptversammlung des Verbandes wurde der provisorische Vorstand im Amt bestätigt und um drei neue Mitglieder auf zwölf erweitert. Der Vorsitzende Otto Ammon stellte fest, dass von den <lex id="ins-0330">Sozialdemokraten</lex> eine Unterstützung ja gar nicht erst zu erwarten gewesen sei, bedauerte aber, dass kein Vertreter der <lex id="ins-0339">Zentrumspartei</lex> für den Vorstand gewonnen werden konnte. Das Zentrumsblatt <lex id="ins-1153">Badischer Beobachter</lex> äußerte sich dagegen sehr zufrieden, dass niemand aus der Zentrumspartei dem Vorstand des Verbandes beigetreten sei, dessen Bestrebungen eben keine wirklich "nationaldeutschen" seien, sondern auf eine Unterdrückung "aller Elemente" hinauslaufe, "die keinen Gefallen finden an diesem deutschen Chauvinismus." Dagegen waren die drei Burschenschaften <lex id="ins-1897">Arminia</lex>, <lex id="ins-1898">Germania</lex> und <lex id="ins-1899">Tuiskonia</lex> sowie der <lex id="ins-1900">1. Karlsruher Bicycle-Club</lex> beigetreten.

Version vom 29. Januar 2024, 11:24 Uhr


Anzeige in der Karlsruher Zeitung vom 17. Januar 1899.

Alldeutscher Verband

Der nationalistisch-völkisch ausgerichtete sowie antisemitisch und rassistisch geprägte Alldeutsche Verband wurde 1891 in Berlin als Allgemeiner Deutscher Verband unter anderem auf Betreiben des Verlegers Alfred Hugenberg und des Kolonialisten Carl Peters mit dem Ziel gegründet, den deutschen Flottenausbau für eine imperialistische Kolonialpolitik zu forcieren, das Nationalbewusstsein zu stärken und das Deutschtum im Ausland zu fördern. Nach der Umbenennung in Alldeutscher Verband im Juli 1895 dauerte es noch mehr als drei Jahre, bis in Karlsruhe eine Ortsgruppe entstand. Als der Karlsruher Vertrauensmann des Verbandes, der Anthropologe und Schriftsteller Otto Ammon, am 3. November 1898 zu einer Besprechung zur Gründung einer Ortsgruppe einlud, zählte der Verband 40 Mitglieder in Karlsruhe. Zum provisorischen Vorstand gehörten unter anderen der Gymnasialprofessor Robert Goldschmit und der Durlacher Bürgermeister Philipp Reichardt. Auch der Karlsruher Oberbürgermeister Karl Schnetzler unterzeichnete wenig später am 23. November einen Aufruf zum Beitritt. Bereits am 12. Dezember fanden erste Veranstaltungen statt, so Ende des Monats eine Flottenversammlung mit 3.000 Teilnehmern in der Festhalle. Die Mitgliederzahl war inzwischen auf rund 200 angestiegen.

In der kurz darauf folgenden ersten Hauptversammlung des Verbandes wurde der provisorische Vorstand im Amt bestätigt und um drei neue Mitglieder auf zwölf erweitert. Der Vorsitzende Otto Ammon stellte fest, dass von den Sozialdemokraten eine Unterstützung ja gar nicht erst zu erwarten gewesen sei, bedauerte aber, dass kein Vertreter der Zentrumspartei für den Vorstand gewonnen werden konnte. Das Zentrumsblatt Badischer Beobachter äußerte sich dagegen sehr zufrieden, dass niemand aus der Zentrumspartei dem Vorstand des Verbandes beigetreten sei, dessen Bestrebungen eben keine wirklich "nationaldeutschen" seien, sondern auf eine Unterdrückung "aller Elemente" hinauslaufe, "die keinen Gefallen finden an diesem deutschen Chauvinismus." Dagegen waren die drei Burschenschaften Arminia, Germania und Tuiskonia sowie der 1. Karlsruher Bicycle-Club beigetreten.

In den folgenden Jahren bot der Verband häufig Vortragsveranstaltungen im Sinne der Verbandsziele. Einer der eifrigsten Akteure war dabei Otto Ammon. Dieser gab im Jahr 1901 aus gesundheitlichen Gründen seinen Vorsitz ab an Ernst Boesser, Studienrat und späterer Leiter der Kadettenschule, ebenfalls ein überzeugter Nationalist, der 1917 maßgeblich an der Gründung der Deutschen Vaterlandspartei beteiligt sein sollte. Boesser trat 1907 wegen "Geschäftsüberhäufung" als Vorsitzender zurück, blieb aber im Vorstand, dem nun als Vorsitzender Robert Helbing, Professor am Mädchengymnasium, als Stellvertreter der beim Evangelischen Oberkirchenrat tätige Geistliche Rat Adolf Fellmeth, Bankier August Hecht als Schatzmeister und als Beisitzer Otto Ammon, Rechtsanwalt Ludwig Schneider, Architekt Hermann Meeß, der Besitzer der Badischen Presse Ferdinand Wilhelm Thiergarten, Privatier Josef Beuchert und Direktor Wilhelm Finckh, alle Mitglieder der bürgerlichen Oberschicht. Ein Vertreter der Burschenschaften sollte bald hinzugewählt worden.

1911 übernahm Adolf Fellmeth den Vorsitz und behielt ihn bis zu seinem Tode im Jahr 1929. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verband seine erfolgreichste Zeit hinter sich. Schon im Ersten Weltkrieg, als viele Mitglieder, darunter der Vorsitzende Fellmeth Kriegsdienst leisteten, ging die Vortragstätigkeit stark zurück, man beteiligte sich aber an den Aktivitäten des Karlsruher Verbandes der Deutschtumsvereine. Auch in der Weimarer Republik trat die Ortsgruppe deutlich weniger in Erscheinung. Die Niederlage im Ersten Weltkrieg, mit der viele Alldeutsche nicht gerechnet hatten, und wachsende Konkurrenz im völkischen Lager vor allem durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) dürften sich hier ausgewirkt haben. Als der langjährige Vorsitzende Fellmeth am 1. Mai 1929 verstarb, setzte sich der Niedergang fort. Im Adressbuch wird der Verband nicht mehr aufgeführt und es finden sich kaum noch Zeitungsmeldungen über einige wenige Veranstaltungen.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme bestand die Ortsgruppe weiter, als Vorsitzender wird 1937 ein E. Rink genannt, der diese Funktion auch noch 1938 innehatte, als der badische alldeutsche Landesverband in Karlsruhe tagte. Danach verliert sich die Spur des Verbandes. Nach dem Krieg gehörten die ehemaligen Mitglieder des Alldeutschen Verbandes, der einer der Wegbereiter des Nationalsozialismus war, zu den Personen, die im Zuge der Entnazifizierung mit "besonderer Sorgfalt" zu prüfen sind.

Ernst Otto Bräunche 2023

Quelle

Karlsruher Zeitungen 1898-1946, https://digital.blb-karlsruhe.de/zeitungen/topic/view/2965491 (Zugriff am 30. Oktober 2023).

Literatur

Ernst Otto Bräunche: "Eine neue Zeit der Freiheit ist angebrochen“. Politik und Parteien in der Weimarer Republik, in: ders./Frank Engehausen/Jürgen Schuhladen-Krämer (Hrsg.): Aufbrüche und Krisen. Karlsruhe 1918-1933, Karlsruhe 2020, S. 17-67 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 35).