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Ernst Fuchs


Ernst Fuchs

Jurist, Rechtsanwalt, * 15. Oktober 1859 Weingarten/Lkr. Karlsruhe, † 10. April 1929 Karlsruhe, jüd., ∞ Mina Kaufmann, 1 Tochter, 2 Söhne.

Ernst Fuchs, als Sohn eines jüdischen Viehhändlers geboren, wuchs in einer kinderreichen Familie auf. 1871 zog die Familie nach Karlsruhe um, wo Ernst Fuchs das Großherzogliche Gymnasium besuchte. Von 1876 bis 1880 studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten Heidelberg und Straßburg. Anschließend absolvierte er den Vorbereitungsdienst bei verschiedenen badischen Gerichts- und Verwaltungseinrichtungen. 1884 erhielt er die Zulassung als Rechtsanwalt beim Landgericht Karlsruhe. In dieser Zeit übernahm er auch mehrfach Verteidigungen von Sozialdemokraten, die nach den Sozialistengesetzen verfolgt wurden. 1894 wurde er als Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht Karlsruhe zugelassen, an dem er überwiegend in Zivilsachen auftrat. Mehr als 35 Jahre übte er diese Tätigkeit aus. Die Meisterschaft, mit der er den Zivilprozess führte, wurde vielfach gerühmt. 1899 änderte er seinen bisherigen Vornamen Samuel in Ernst ab.

Durch seine schriftstellerische Tätigkeit – insbesondere für die Freirechtslehre, eine namhafte juristische Oppositionsbewegung im Kaiserreich – wurde Fuchs in ganz Deutschland bekannt. Seine Grundpositionen, erstmals in „Schreibjustiz und Richterkönigtum“ (1907) niedergelegt, beruhen auf der Erkenntnis der Lückenhaftigkeit der staatlichen Rechtsordnung. Die notwendige Lückenausfüllung könne nicht durch Analogie oder Umkehrschluss, sondern nur im Rahmen einer „soziologischen Methode” erzielt werden. Hierbei habe der Richter insbesondere die jeweilige Verkehrssitte seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Eine prägnante, teilweise moderate Zusammenfassung seiner Thesen legte Fuchs mit seiner letzten Schrift „Was will die Freirechtsschule?“ (1929) vor. Hierin konnte er feststellen, dass sich das Reichsgericht – namentlich im Rahmen der Aufwertungsrechtsprechung Anfang der 1920er-Jahre – dem freirechtlichen Standpunkt angenähert und der richterlichen Rechtsfortbildung zunehmende Bedeutung eingeräumt hatte.

Ernst Fuchs' jahrzehntelanges Eintreten für die Notwendigkeit richterlicher Rechtsfortbildung fand schließlich in Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz (Gesetz und Recht) sowie in § 132 Absatz 4 Gerichtsverfassungsgesetz (Fortbildung des Rechts) seine normative Grundlage. Er war zeitlebens kein „politischer Parteimann“. Als individualistisch geprägte Persönlichkeit galt er seit seiner Jugend als bewusster „Demokrat vom Schlag der 1848er“, der die Einführung der republikanisch-demokratischen Staatsform nach Ende des Ersten Weltkrieges begrüßte und sich engagiert für die Weimarer Reichsverfassung einsetzte. Von 1925 an beteiligte sich Fuchs auch führend an der republikanischen Zeitschrift „Die Justiz“, die als Monatsschrift für die Erneuerung des deutschen Rechtslebens von Gustav Radbruch und anderen fortschrittlichen Juristen herausgegeben wurde und zugleich als Hauptorgan des Republikanischen Richterbundes diente. Kurz vor seinem Tode erhielt Ernst Fuchs am 4. Februar 1929 von der Heidelberger Juristischen Fakultät die Ehrendoktorwürde verliehen.

Detlev Fischer 2021

Werk

Gerechtigkeitswissenschaft, ausgewählte Schriften zur Freirechtslehre, Karlsruhe 1965; Gesammelte Schriften über Freirecht und Rechtsreform, Aalen Bd. 1 1970, Bd. 2 1973, Bd. 3 1975.

Literatur

Jan Schröder: Ernst Fuchs (1859-1929), in: Gerd Kleinheyer/Jan Schröder (Hrsg.): Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, Tübingen 2017, 6. Aufl., S. 146-149; Detlev Fischer: Ernst Fuchs (1859-1929), Karlsruher Rechtsanwalt und führender Freirechtler Deutschlands, in: Karlsruher Juristenportraits aus der Vorzeit der Residenz des Rechts, Karlsruhe 2004, S. 39-44 (= Schriftenreihe des Rechtshistorischen Museums Bd. 9).