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Emil Probst


Emil Probst

Bauingenieur, Professor, * 10. Oktober 1877 Dobromil/Galizien/heute Ukraine, † 27. Januar 1950 London, jüd., später ev., ∞ 1914 Elisabeth Leitholf (1892-1974), 3 Töchter, 1 Sohn.

Emil Heinrich Probst, Sohn eines Kaufmanns, wuchs mit drei Geschwistern in seiner galizischen Heimatstadt auf, ehe er nach dem Tod der Eltern zu einer Tante nach Wien kam. Dort besuchte er bis 1895 das Realgymnasium. Anschließend studierte er kurze Zeit Medizin, dann 1896 bis 1903 Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule (TH) Wien. Für weiterführende Studien im Eisenbetonbau, der ihn besonders interessierte, hielt sich Probst 1903 in Paris auf. Nach einer Tätigkeit als Ingenieur in den USA wurde Probst 1905 Assistent bei Franz Schüle an der ETH Zürich. Daran schloss sich 1906 bis 1908 eine Tätigkeit als Zivilingenieur in Berlin an. An der TH Berlin-Charlottenburg wurde Probst 1908 zum Doktor der Ingenieurwissenschaften promoviert und 1911 habilitiert.

Nach einer Lehrzeit in Berlin als Privatdozent erhielt Probst, seit 1912 preußischer Staatsbürger, 1915 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Eisenbetonbau an der Technischen Hochschule (TH) Karlsruhe. Da er sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs als Freiwilliger bei den preußischen Landwehrpionieren gemeldet hatte und bis 1918 zum Festungsbau an der Ostfront und an der belgischen Küste eingesetzt worden war, konnte er seine neue Stelle in Karlsruhe erst nach Kriegsende antreten. Hier baute Probst die bautechnische Versuchsanstalt auf, das spätere Institut für Eisen- und Betonbau, in der hauptsächlich von der Wirtschaft und vom Reichsverkehrsministerium in Auftrag gegebene Versuche durchgeführt wurden. 1920 gründete Probst die Fachzeitschrift Der Bauingenieur, das Organ des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), deren Herausgeber er bis 1934 war.

Seine Forschungen befassten sich vor allem mit der Weiterentwicklung der Betontechnologie, Studien zur Wasserdichtigkeit und der Statik des Betons sowie über dessen Verwendung im Straßenbau. Aufgrund seiner wissenschaftlichen wie persönlichen Integrität genoss Probst internationales Ansehen. Als Repräsentant des VDI unternahm er Reisen nach Japan, China, USA, Russland und Schweden. In der akademischen Selbstverwaltung hatte Probst mehrere wichtige Funktionen inne, bevor er im Studienjahr 1926/27 als Rektor der TH Karlsruhe amtierte. Außerdem setzte er sich für den Umbau der Lehr- und Wissenschaftsorganisation ein, indem er sowohl eine Intensivierung der praktischen Ausbildung wie die Stärkung des interdisziplinären Austauschs forderte. Politisch der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) nahe stehend und Mitglied des Karlsruher Rotary Clubs, musste Probst im April 1933 seinen Senatssitz wegen einer Hetzkampagne von NS-Gruppierungen gegen jüdische Hochschullehrer niederlegen. Trotz seines Kriegsdiensts, der von den Behörden nicht als Fronteinsatz, sondern "nur" als Tätigkeit im Festungsbau angesehen wurde, und dem Eintreten von Hochschulkollegen, darunter Karl Holl, konnte seine zwangsweise Zurruhesetzung nicht verhindert werden.

1939 emigrierte Probst zu einem seiner Kinder nach Großbritannien, seine nichtjüdische Frau konnte ihm mit den beiden noch in Karlsruhe lebenden Kindern wegen des Kriegsausbruchs nicht folgen. Aufgrund seines guten internationalen Rufs und seiner persönlichen Kontakte erhielt er durch Vermittlung 1943 bis 1945 eine Dozentenstelle an der Universität Bristol sowie eine Mitarbeiterstelle in der Forschungsabteilung des britischen Arbeitsministeriums. Nachdem ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen worden war, nahm Probst 1942 die britische Staatsangehörigkeit an. Eine von ihm im Jahr 1946 ins Auge gefasste Rückkehr nach Deutschland kam nicht zustande. 1947 wurde Probst formal als Ordinarius an der TH Karlsruhe wiedereingesetzt und durch den Präsidenten des Landesbezirks Baden aus Altersgründen emeritiert. Bis zu seinem Tod war Probst in London als selbstständiger Ingenieur tätig.

Für seine wissenschaftlichen Leistungen erhielt er 1928 die Bronzemedaille der Institution of Structural Engineering London. 1929 wurde Probst Ehrenmitglied der American Society of Arts and Science.

René Gilbert 2017

Quellen

GLA 466/20683; 480/6105; KIT-Archiv 28002/373.

Werk

Einfluss der Armatur und der Risse im Beton auf die Tragsicherheit, Diss., Berlin 1908; Eine Kritik der bestehenden Vorschriften für Eisenbetontragwerke, Habil.-Schrift, Berlin 1911; Aufgaben und Ziele der technischen Hochschulen. Rede zum Antritt des Rektorats der TH Karlsruhe am 4. Dezember 1926, Karlsruhe 1927; Probleme des Betonstraßenbaues. Untersuchungen im Laboratorium und auf zwei Versuchsstrecken, Berlin 1928; Grundlagen des Beton- und Eisenbetonbaues, Berlin 1935.

Literatur

Klaus-Peter Hoepke: Hochschullehrer-Biographien, in: Heinz Schmitt/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch (Hrsg.): Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur NS-Machtergreifung, 1988, 2. Aufl. 1990, S. 439-450, hier S. 447 f. (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 8), Buch zum Download (PDF); Tobias Seidl: Emil Heinrich Probst, in: Badische Biographien NF Bd. VI, hrsg. von Fred L. Sepaintner, Stuttgart 2011, S. 306-309, https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/117697532/Probst+Emil+Heinrich (Zugriff am 11. Mai 2022).