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Lebensbedürfnisverein Karlsruhe


Werbeplakat des Lebensbedürfnisvereins, um 1910, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS X 4984.
Hofansicht des Magazingebäudes (links) und der Bäckerei (rechts) des Lebensbedürfnisvereins, um 1925, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schmeiser 9922.
Straßenansicht einer durch die Gemeinnützige Baugenossenschaft Hardtwaldsiedlung in der Knielinger Allee 4 eingerichteten Warenabgabestelle für den Lebensbedürfnisverein, um 1930, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 154/11.
Mit Werbetransparenten ausgestattete LKWs im Hof des Lebensbedürfnisvereins, um 1925, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schmeiser 508.

Lebensbedürfnisverein Karlsruhe

Wie in vielen anderen deutschen Städten fand in den 1860er-Jahren auch in Karlsruhe ein Zusammenschluss der Bürger zu einer Konsumgenossenschaft statt. In der konstituierenden Sitzung des Lebensbedürfnisvereins Karlsruhe am 26. Mai 1865 traten der Genossenschaft rund 200 Bürger aller Berufsstände bei. Anfangs handelte es sich um einen Markenverein, bei dem Kleinhändler nach Vertragsabschluss mit dem Verein dessen Mitgliedern Rabatte auf bestimmte Waren gewährten. Die Mitglieder wiederum konnten vom Rechner des Vereins ausgegebene Marken als Zahlungsmittel bei den Lieferanten nutzen und erhielten dort Rabatte in Höhe von fünf bis zehn Prozent.

Das Konzept des Markenvereins löste nach wenigen Jahren der Selbstbetrieb mit eigener Produktion und Verkaufsstellen ab. Der erste Laden wurde im Sommer 1868 im Gebäude Innerer Zirkel 20 eingerichtet. Ein weiterer Meilenstein war am 19. Oktober 1872 mit der Eintragung des Vereins in das Genossenschaftsregister als „Lebensbedürfnisverein Karlsruhe, eingetragene Genossenschaft“ erreicht. Dies führte zur Erlangung der Rechtsfähigkeit. Fortan mussten neben der bereits bestehenden Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrates regelmäßig Wahlen für einen geschäftsführenden Vorstand durchgeführt werden. Der Lebensbedürfnisverein sah sich immer wieder Anfeindungen von konkurrierenden mittelständischen Einzelhandelsvereinen und -verbänden ausgesetzt. Im Kern ging es den Geschäftsleuten hier wie andernorts um eine Angleichung der Besteuerung des Einzelhandels und der Genossenschaften. Dieses Ansinnen erfuhr sowohl vonseiten des Stadtrates als auch des Schatzungsrates Unterstützung. Das neue Genossenschaftsgesetz änderte die Rechtsform des Vereins zum 1. Mai 1889 in eine Genossenschaft mit beschränkter Haftung und verbot zugleich den Verkauf an Nichtmitglieder. Weitere Gesetzesnovellierungen führten zur Heranziehung von Einkommens- und Gewerbesteuer in fast vollständigem Maße.

Seit 1873 hatte die Verwaltung mit Hauptmagazin, einem Ladengeschäft sowie einer Bäckerei ihren Sitz in der Zähringerstraße 45 (damals: Zähringerstraße 49). Die Produktionsstätte wurde 1891 durch den Erwerb des Nachbargebäudes Zähringerstraße 47 erweitert. Aufgrund des prosperierenden Geschäfts, steigender Mitgliederzahlen und der hohen Zahl an Verkaufsstellen wurde 1905 eine neue, leistungsstärkere Firmenzentrale auf einem 7.604 Quadratmeter großen Areal zwischen der Putlitz- und Roonstraße errichtet. Sie umfasste eine bis 1907 durch die Architekten Curjel & Moser errichtete Bäckerei und ein von Architekt Bernhard Koßmann in den Jahren 1911 bis 1913 realisiertes Verwaltungs- und Magazingebäude mit Rösterei. Das Anwesen in der Zähringerstraße wurde noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges verkauft. Ein Gleisanschluss verband seit 1917 ein im Jahr 1896 eingerichtetes Lager im Westbahnhof mit der Firmenzentrale.

Nach Kriegsende stiegen die Mitgliederzahlen wieder stark an. Der Verein erwarb mehrere Liegenschaften in der Stadt und übernahm 1921 den Ettlinger Konsumverein. Im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik ging der Lebensbedürfnisverein zunächst im Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften auf und wurde schließlich 1942 in das Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeitsfront überführt. In der Nachkriegszeit firmierte der Lebensbedürfnisverein nach der Neugründung und Erweiterung auf den Stadtteil Durlach im Jahr 1947 unter dem Namen Konsumgenossenschaft Karlsruhe eGmbH. In der Folgezeit kam es im Oktober 1963 mit der Übernahme der Genossenschaft Bretten-Bruchsal-Mühlacker und 1967 mit der Konsumgenossenschaft Baden-Baden zu weiterem Wachstum. Pläne zum Bau einer neuen Firmenzentrale zur Versorgung der immer größer werdenden Mitgliederzahl wurden nie realisiert. Stattdessen gab die co op Karlsruhe Konsumgenossenschaft eGmbH 1974 den Grundsatz der Rückvergütung auf und verkaufte die Bäckerei. Die Fusion der Karlsruher und Saarbrücker Konsumgenossenschaften zur Südwestdeutschen Verbrauchergenossenschaft eG und der kurz darauf erfolgten Integration in die Holdinggesellschaft ASKO AG Saarbrücken im April 1975 stellen den Endpunkt der Geschichte der eigenständigen Karlsruher Konsumgenossenschaft dar.

Mitgliedschaften

1867: Verband deutscher Konsumvereine
1872: Allgemeiner Verband deutscher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und Verband süddeutscher Konsumvereine
1919: Großeinkaufsgesellschaft in Hamburg, Zentralverband deutscher Konsumvereine (mit Austritt aus dem Allgemeinen Verband deutscher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften) und Badische Verbraucherkammer

Eric Wychlacz 2023

Quellen

Generelle Informationen: StadtAK 1/H-Reg 2464 und 9490; Zum Firmenareal Putlitzstraße 9-15: 1/BOA 6039; Jahres- und Geschäftsberichte, Satzung und Jubiläumsschriften: 8/StS 20/779-781, 2206, 2216, 2338, 2582, 10/A D9e Leb und D977b Kon 1-3.

Literatur

Uwe Spiekermann: Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des modernen Kleinhandels in Deutschland 1850-1914, zugl. Univ.-Diss., Münster 1996 (= Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 3), unter dem Titel: Uwe Spiekermann: Geschichte des modernen Kleinhandels in Deutschland 1850-1914, München 1999, S. 238-276; Eric Wychlacz: "Was einer alleine nicht vermag, das vermögen viele. Zur Geschichte des Lebensbedürfnisvereins Karlsruhe", in: Blick in die Geschichte Nr. 135 vom 17. Juni 2022, https://stadtgeschichte.karlsruhe.de/stadtarchiv/blick-in-die-geschichte/ausgaben/blick-135/lebensbeduerfnisverein (Zugriff am 9. Juni 2023).