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Städtisches Getreidelagerhaus


Städtisches Getreidelagerhaus, 1903, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVa 957.
Blick in das erste Speichergeschoss, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVa 946.
Städtisches Getreidelagerhaus, nach 1950, Bildarchiv Rheinhäfen Alb. 3/1a.

Städtisches Getreidelagerhaus

Noch vor der Fertigstellung der Werfthalle I und des Verwaltungs- und Direktionsgebäudes im Rheinhafen wies der zukünftige Hafenamtsvorstand Jakob Sebold die Stadt im Januar 1901 auf die dringende Notwendigkeit eines Getreidelagerhauses hin, zumal die Werfthalle ausschließlich für Stückgüter konzipiert war. Ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme des Rheinhafens Anfang Mai 1901 bewilligte der Bürgerausschuss im Oktober des Jahres den Bau des Lagerhauses, das mit seinen maschinellen Betriebsanlagen und den nötigen Zufahrtsstraßen rund 880.000 Mark kostete. Das Bauprogramm war von dem Betriebsinspektor der städtischen Gas- und Wasserwerke Otto Helck entwickelt, die Planung von dem auch für die Bauleitung verantwortlichen Architekten Hermann Walder detailliert ausgearbeitet worden.

Das Getreidelagerhaus entstand 1901/02 am Mittelbecken, etwa 160 Meter westlich von der Werfthalle I. Es war 85 Meter lang und 25 Meter breit und verfügte über zwei siebengeschossige Lagerhallen, welche in der Mitte über ein gemeinsames neungeschossiges Maschinenhaus verbunden waren. Um der Monumentalität des gewaltigen Bauwerkes entgegenzuwirken, gab Walder dem Außenbau mittelst Verwendung roter, orthogonal gliedernder und gelber, flächenfüllender Backsteine eine ausgewogene Struktur. Außerdem lockerte er den kubischen Baublock gen Himmel durch sechs paarweise angeordnete Pyramidendächer auf, die zugleich eine formale Verbindung zur ebenfalls durch Zeltdächer akzentuierten Werfthalle I herstellten. Ein schmaler, eingeschossiger Trakt mit vier Geschäftsräumen war der Ostseite des Getreidelagerhauses vorangestellt.

Die östliche, mit Fensteröffnungen versehene Lagerhalle diente als Schüttbodenspeicher, die westliche, fensterlose Halle als Silospeicher. Das zwischen den Hallen und von diesen durch Brandmauern separierte Maschinenhaus nahm sämtliche elektrisch betriebenen Transport- und Reinigungseinrichtungen auf und beherbergte im Norden das einzige Treppenhaus der Anlage.

Am 3. September 1942 wurde das Getreidelagerhaus von Brandbomben getroffen. Der gesamte Dachbereich wurde zerstört, der Silospeicher brannte vollständig aus, der Schüttbodenspeicher und das Maschinenhaus dagegen nur zu geringen Teilen. Nach den nötigsten Instandsetzungsmaßnahmen fand der Wiederaufbau von Juli 1948 bis zum Jahresende 1950 in veränderter Form statt. Während der Schüttbodenspeicher die alte Geschosszahl beibehielt, wurde der Silospeicher auf neun und das Maschinenhaus sogar auf 13 Stockwerke aufgestockt und dadurch die einstige Speicherkapazität von insgesamt 12.000 Tonnen auf über 15.000 Tonnen erhöht. Die Pyramidendächer wurden nicht wiederhergestellt und die Westhälfte anstelle eines Flachdaches mit einem Satteldach gedeckt. Das neue Maschinen- und Beförderungssystem machte das bis heute in Betrieb stehende Lagerhaus in den 1950er-Jahren zu einem der modernsten Getreidelagerhäuser Europas.

Katja Förster 2016

Quelle

StadtAK 1/H-Reg 337.

Literatur

Ulrike Schubart: Die Hochbauten des Karlsruher Rheinhafens von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg. Beispiele Karlsruher Industriearchitektur zwischen Historismus und Beginn der Moderne, in: Rheinhafen Karlsruhe 1901-2001, hrsg. von Stadtarchiv Karlsruhe und Rheinhafen Karlsruhe, Karlsruhe 2001, S. 269-314, bes. S. 288-293 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 22).