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Drogerie Carl Roth


Ansicht der Hofdrogerie Carl Roth, um 1910, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVe 106.

Drogerie Carl Roth

Am 9. Februar 1879 eröffnete Carl Roth in der Langen Straße, heute Kaiserstraße 161 an der Ecke Herrenstraße ein Material-, Colonial- und Farbwarengeschäft. Carl Roth (1853-1926) wurde in Kandel geboren, absolvierte in Landau eine Lehre als Drogist und erweiterte seine Kenntnisse in führenden Drogerien in Stuttgart, Würzburg sowie Mannheim. Im Mai 1879 trat Ludwig Roth (gestorben 1934), der jüngere Bruder, ebenfalls gelernter Drogist, in die Firma ein. Das Geschäft entwickelte sich so gut, dass Roth 1883 das Haus des Konditors und Schokoladenfabrikanten Heinrich Fellmeth in der Herrenstraße 24 (später 26) gegenüber der damaligen Hauptpost erwerben konnte. 1888 richtete Ludwig Roth eine Malutensilienabteilung ein, in der Künstler wie Wilhelm Trübner und Hans Thoma ihre Farben, Pinsel, Staffeleien etc. bezogen. In Gebäuden im rückwärtigen Teil des Anwesens begann die Firma 1886 mit der Produktion von Farben und dann auch von Chemikalien. Zudem wurden dort später auch Gewürze gemahlen und ein Hafer-Cacao hergestellt. 1891 erhielt Carl Roth den Titel eines Großherzoglichen Hoflieferanten und damit die Erlaubnis, das badische Staatswappen über dem Ladeneingang und auf Geschäftsdrucksachen zu führen.

1899 erschien der erste Versandkatalog der Drogerie, in dem das gesamte Sortiment von Äther bis Zündhölzer aufgeführt war. Vor dem Ersten Weltkrieg machte der Versandhandel mit Privat- und Industriekunden auch nach Übersee zwei Drittel des Firmenumsatzes aus. Mit dem wachsenden Erfolg stieg nicht nur die Zahl der Angestellten von zwölf (1892) auf 39 (1904), damit einher gingen der Ausbau und die Modernisierung der Produktion und des Ladens. 1904 entstand anstelle von zwei Magazinen ein fünfstöckiges Warenlager mit elektrischem Aufzug, 1905 ein neues Seitengebäude für Kontor und Maschinen, die nun elektrischen Antrieb erhielten, die erste elektrische Registrierkasse in Karlsruhe wurde installiert sowie eine Petroleumtankanlage mit unterirdischem Tank im Hof für den eigenen Lieferwagen. 1908 wurde das Nachbarhaus Herrenstraße 28 erworben, das Roth von dem Architektenbüro Curjel & Moser umbauen und mit dem Stammhaus verbinden ließ. Dabei erhielt die Hausfront ihre charakteristische Jugendstilfassade und die Verkleidung des Erdgeschosses mit dem schwarzen schwedischen Labrador.

Im Ersten Weltkrieg galt die Drogerie als kriegswichtiger Betrieb und musste Sanitätskompanien mit Sanitätsmaterial versorgen. 1920 treten Karl (1892-1951) und Ludwig (1896-1975) Roth, die Söhne des Gründers in die Firma ein. Die wirtschaftlich schwierigen Nachkriegsjahre überstand die Drogerie Roth und warb 1926 mit dem breiten Angebot von Drogen, Chemikalien, Materialwaren, Farben, Ölen, Lacken, Benzin, Desinfektionsmitteln sowie Artikeln für Kunstmaler, Gewürzen und Artikeln zur Krankenpflege. Im selben Jahr wurde eine Kaffeerösterei eingerichtet, 1927 eine Fotoabteilung und 1928 eröffnete Ludwig Roth, er hatte an der Technischen Hochschule (TH) Karlsruhe Chemie studiert, eine Chemikalienabteilung. Diese belieferte Betriebe mit Schwerchemikalien und Industrielabore sowie die TH Karlsruhe mit Feinchemikalien. Auch die Jahre der Weltwirtschaftskrise überstand die Firma trotz stark zurückgehender Umsätze und konnte ab 1935 in die Erneuerungen der Ladeneinrichtung, des Kontors (Schreibtische statt Stehpulte) und des Fuhrparks investieren. 1937 entwickelte Ludwig Roth mit Prof. Karl Kunz von der TH Karlsruhe ein patentiertes Mittel zur Verhinderung von Kriechströmen in Akkus und eines zur Lösung eingerosteter Schrauben.

Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs baute die Firma ein erstes Ausweichlager in Weinheim, um im Fall der Zerstörung des Hauptgeschäfts den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Weitere Ausweichlager in Au am Rhein, Süßen bei Göppingen, Herrenalb und Emmendingen folgten. Da die Firma im Verlauf des Krieges mit starken Umsatzrückgängen zu kämpfen hatte, kaufte sie – um die Schließung abzuwenden – 1943 die Lebensmittelgroßhandlung Munzing. Bei dem Luftangriff vom 4. Dezember 1944 wurde das Hauptgeschäft von mehreren Bomben getroffen, wobei die beiden oberen Stockwerke des Magazinbaus ausbrannten.

Nach umfangreichen Aufräumarbeiten begann 1946 der Wiederaufbau der zerstörten bzw. beschädigten Firmengebäude, der 1950 abgeschlossen war. 1946 und 1947 konnten alle funktionstüchtig gebliebenen Maschinen und Apparate zur Herstellung und Verpackung der selbst produzierten Waren wieder in Betrieb genommen werden. Die Vorräte aus den unzerstörten Ausweichlagern ermöglichten Eigenprodukte in folgenden Bereichen: Farben, Lacke, Wachs sowie Öle, Pharmazeutika und Kosmetika, Lebensmittel, dazu Fotoarbeiten und Labormaterial und -untersuchungen. Bereits 1949 öffnete die erste Drogerie-Filiale in Rüppurr, der in den 1950er-Jahren weitere in der Siemensallee, Daxlanden, Eggenstein, Weingarten und Malsch folgten. Laut einem Zeitungsartikel galt Carl Roth 1952 mit 75 Beschäftigten als die "größte Drogerie des Bundesgebietes". 1954 trat Dr. Lutz Roth (1923-2019), der an der TH Karlsruhe Chemie und Botanik studiert hatte, in das Familienunternehmen ein.

Seit 1952 wurde die Chemikalienabteilung ausgebaut, 1953 ein Chemikalienlager im Rheinhafen eingerichtet und 1956 Labore ausgelagert. Die expansive Entwicklung der Abteilung führte 1960 zur Gründung der eigenständigen Roth Chemie GmbH. Diese bezog 1965 in der Schoemperlenstraße neue Betriebsgebäude.

1962 zerstörte ein Brand einen Großteil der Geschäftsräume in der Herrenstraße, der zum vorübergehenden Verkauf von Malutensilien und Farben in Baracken an der Erbprinzenstraße zwang. 1968 wurden der Einzelhandel und der Groß- und Versandhandel in zwei Gesellschaften, die Drogerie Roth OHG und die Carl Roth OHG, getrennt. Die Zahl der Beschäftigten betrug zu dieser Zeit etwa 180. Ende 1969 gaben die Firmeninhaber den Drogeriebetrieb Roth an den Drogeriefilialbetrieb IDRO ab. Der Großhandels- und Versandbetrieb Carl Roth OHG wurde in der Schoemperlenstraße zusammen mit der Roth Chemie GmbH im Familienbesitz weitergeführt.

Götz Werner, der 1969 noch in die Drogerie Carl Roth eingetreten war, leitete die IDRO-Filiale, machte sich aber 1973 selbstständig und eröffnete in der Herrenstraße 26 den bundesweit ersten dm-Markt. 2011 wurde das Gebäude der Drogerie Roth mit der charakteristischen Fassade abgerissen und durch einen fünfgeschossigen Neubau ersetzt.

Manfred Koch 2022

Quelle

StadtAK 7/Nl Roth – Nachlass Familie.

Literatur

1879-2004 / 125 Jahre Carl Roth: Deutschland, die Welt, Karlsruhe und Carl Roth, o. O, o. J.; 1879-2009 / 130 Jahre Carl Roth, Deutschland, die Welt, Karlsruhe und Carl Roth, o. O, o. J.; https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Roth_(Unternehmen) (Zugriff am 26. November 2022).