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De:Lexikon:ereig-0034: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:ereig-0034.jpg|200px|thumb|left|Zug auf das Schloss Hambach, Beilage der in Karlsruhe im Vormärz erschienenen Zeitschrift Zeitgeist vom 27. Mai 1832, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS VIII 188.]]


=Vormärz=
=Vormärz=


Der Epochenbegriff steht im engeren Sinn für die Zeit von der <lex id="ereig-0220">Julirevolution 1830</lex> in Frankreich bis zu den <lex id="ereig-0225">März-Revolutionen von 1848</lex>. Weiter gefasste Definitionen lassen ihn schon 1815 mit dem Wiener Kongress und der europäischen Neuordnung beginnen.
Der Epochenbegriff steht im engeren Sinn für die Zeit von der <lex id="ereig-0220">Julirevolution 1830</lex> in Frankreich bis zu den <lex id="ereig-0225">März-Revolutionen von 1848</lex>. Weiter gefasste Definitionen lassen ihn schon 1815 mit dem <lex id="ereig-0236">Wiener Kongress</lex> und der europäischen Neuordnung beginnen.

Kennzeichnend für diese Zeit ist eine verbreitete Unsicherheit angesichts eines beschleunigten und widersprüchlichen Wandels feudaler Strukturen zu frühindustriell-kapitalistischen. In dieser Zeit entsteht ein politischer Liberalismus in Deutschland, der sich in eine zuletzt unversöhnlich gegenüberstehende konstitutionell-monarchische und eine demokratische Richtung ausdifferenziert. Politisch wird das Ziel eines einheitlichen deutschen Nationalstaats mit gewählter Vertretung verfochten. In Baden trifft der historische Einschnitt durch die französische Julirevolution 1830 zeitlich zufällig mit der Thronfolge des volksnäher erscheinenden und die Verfassung mehr achtenden Großherzogs <lex id="bio-0569">Leopold</lex> anstelle seines restaurativen Vorgängers <lex id="bio-0568">Ludwig</lex> zusammen.
Eine Episode blieb im Vormärz die Einführung der Pressefreiheit am 1. März 1832 in Baden. So war der Zeitschrift "Der Zeitgeist, ein Volksblatt für Deutschland", dessen Verleger der Buchdrucker <lex id="bio-1218">Friedrich Wilhelm Hasper</lex> und dessen Redakteur der junge <lex id="bio-0955">Karl Mathy</lex> waren, nur eine kurze Lebensdauer beschieden.

Prägnant für Karlsruhe waren in dieser Zeit das neue <lex id="ereig-0240">Gemeindegesetz</lex> von 1831 und weitere Reformen 1833 und 1837, die insbesondere den minderwertigen Schutzbürgerstatus weitgehend aufhoben und das Wahlrecht verbreiterten. Dadurch erweiterte sich die politische Teilhabe der Bürger, das Gewicht im <lex id="ins-1015">Bürgerausschuss</lex> verschob sich von den gehobenen Kaufleuten und Bankiers zum Gewerbebürgertum. Die politische Differenzierung im Karlsruher <lex id="ins-1519">Landtag</lex> anhand von Debatten über Pressefreiheit, Volksbewaffnung, soziale Fragen und deutsche Einheit in die Richtungen konservativ, gemäßigt-liberal und (radikal-)demokratisch schlug sich auch in der städtischen Politik nieder.

Generell war die Zeit des Vormärz in Karlsruhe deutlich von dem regierungstreuen und großherzogfreundlichen konservativen Bürgertum geprägt. Oppositionelle Strömungen sind kaum festzustellen. Auch in der Gemeindeverwaltung herrschte diese regierungstreue und obrigkeitsfreundliche Grundhaltung vor. Die beiden <lex id="ins-1014">Oberbürgermeister</lex> <lex id="bio-0014">August Klose</lex> (1830-1833), Bankier und Handelsmann, und <lex id="bio-0007">Christian Füeßlin</lex> (1833-1847), Kaufmann, gehörten zur Karlsruher Oberschicht, die im <lex id="ins-1095">Gemeinderat</lex> und in dem nach der Gemeindeordnung von 1831 eingeführten Bürgerausschuss dominierte.


Bewegung in die politische Landschaft kam erst 1846/47, als sich die durch die Missernten von 1845 ausgelöste Hungerkrise in Karlsruhe auf die Wahlergebnisse zum Bürgerausschuss auswirkten und die fortschrittlichen Kräfte siegten. Dieses Wahlergebnis schlug sich auch 1847 bei der Neuwahl von Gemeinderäten nieder, woraufhin Oberbürgermeister Füeßlin und mit ihm zwei Gemeinderäte ihren Abschied nahmen. Damit deutete sich ein leichter Wandel an, der Karlsruhe aber nicht zu einer Stadt werden ließ, die in den beiden folgenden Jahren zu einer Hochburg der Badischen Revolution 1848/49 wurde.
Die Zeit des Vormärz war in Karlsruhe deutlich von dem regierungstreuen und großherzogfreundlichen konservativen Bürgertum geprägt. Oppositionelle Strömungen sind kaum festzustellen. Auch in der Gemeindeverwaltung herrschte diese regierungstreue und obrigkeitsfreundliche Grundhaltung vor. Die beiden <lex id="ins-1014">Oberbürgermeister</lex> <lex id="bio-0014">August Klose</lex> (1830-1833), Bankier und Handelsmann, und <lex id="bio-0007">Christian Füeßlin</lex> (1833-1847), ebenfalls Kaufmann, gehörten zur Karlsruher Oberschicht, die im <lex id="ins-1095">Gemeinderat</lex> und in dem nach der <lex id="ereig-0240">Gemeindeordnung von 1831</lex> eingeführten <lex id="ins-1015">Bürgerausschuss</lex> dominierte.
Bewegung in die politische Landschaft kam erst 1846/47, als sich die durch die Missernten von 1845 ausgelöste Hungerkrise in Karlsruhe auf die Wahlergebnisse zum Bürgerausschuss auswirkten und die fortschrittlichen Kräfte siegten. Dieses Wahlergebnis schlug sich auch 1847 bei der Neuwahl von Gemeinderäten nieder, woraufhin Oberbürgermeister Füeßlin und mit ihm zwei Gemeinderäte ihren Abschied nahmen. Damit deutete sich ein leichter Wandel an, der Karlsruhe aber nicht zu einer Stadt werden ließ, die in den beiden folgenden Jahren zu einer Hochburg der <lex id="ereig-0225">Badischen Revolution 1848/49</lex> wurde.


Dass Karlsruhe im Vormärz aber dennoch durch die kontinuierlich vorgetragenen liberalen demokratischen Forderungen z. B. nach Pressefreiheit und Einführung von Schwurgerichten die öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland und den benachbarten Staaten erregte, lag weniger an der Stadt als an dem hier angesiedelten <lex id="ins-1355">Badischen Ständehaus</lex> und den dort geführten Debatten.
Dass Karlsruhe im Vormärz aber dennoch durch die kontinuierlich vorgetragenen liberalen demokratischen Forderungen z. B. nach Pressefreiheit und Einführung von Schwurgerichten die öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland und den benachbarten Staaten erregte, lag weniger an der Stadt als an dem hier angesiedelten <lex id="ins-1355">Badischen Ständehaus</lex> und den dort geführten Debatten.


<div style="text-align:right;">''Ernst Otto Bräunche 2015''</div>
<div style="text-align:right;">''Jürgen Schuhladen-Krämer 2021''</div>


==Literatur==
==Literatur==
Susanne Asche: Residenzstadt - Bürgerstadt - Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zum Industrie- und Verwaltungszentrum 1806-1914, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 191-353, S. 230-274 https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/literatur/stadtarchiv/HF_sections/content/ZZmoP1XI2Dw44t/Karlsruhe%20Die%20Stadtgeschichte.pdf (Zugriff am 23. Dezember 2020); Wolfgang Hug: Geschichte Badens, Darmstadt 19982 , S. 237-246; Ernst Otto Bräunche: Karlsruhe im Vormärz und in der Revolution 1848/49, in: Karlsruher Beiträge Bd. 6, Karlsruhe 1991, S. 107 – 125.
Susanne Asche: Residenzstadt - Bürgerstadt - Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zum Industrie- und Verwaltungszentrum 1806-1914, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 191-353, S. 230-274, [https://stadtgeschichte.karlsruhe.de/securedl/sdl-eyJ0eXAiOiJKV1QiLCJhbGciOiJIUzI1NiJ9.eyJpYXQiOjE2NTg4NDM0MDYsInVzZXIiOjAsImdyb3VwcyI6WzAsLTFdLCJmaWxlIjoiZmlsZWFkbWluXC91c2VyX3VwbG9hZFwvTWFuZGFudGVuc2VpdGVuXC9TdGFkdGFyY2hpdlwvMDVfU3RhZHRnZXNjaGljaHRlXC8wNF9QdWJsaWthdGlvbmVuXC9WZXJncmlmZmVuZVwvS2FybHNydWhlX0RpZV9TdGFkdGdlc2NoaWNodGVfb3B0LnBkZiIsInBhZ2UiOjI3ODJ9.rTQhOtE6pt4qy5oKWg4Y_jHPQB0GRSkJxDn3KuwOe90/Karlsruhe_Die_Stadtgeschichte_opt.pdf Buch zum Download (PDF)] (Zugriff am 27. Juli 2022); Wolfgang Hug: Geschichte Badens, Darmstadt 19982 , S. 237-246; Ernst Otto Bräunche: Karlsruhe im Vormärz und in der Revolution 1848/49, in: Karlsruher Beiträge Bd. 6, Karlsruhe 1991, S. 107 – 125.

Aktuelle Version vom 27. Juli 2022, 14:47 Uhr


Zug auf das Schloss Hambach, Beilage der in Karlsruhe im Vormärz erschienenen Zeitschrift Zeitgeist vom 27. Mai 1832, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS VIII 188.

Vormärz

Der Epochenbegriff steht im engeren Sinn für die Zeit von der Julirevolution 1830 in Frankreich bis zu den März-Revolutionen von 1848. Weiter gefasste Definitionen lassen ihn schon 1815 mit dem Wiener Kongress und der europäischen Neuordnung beginnen.

Kennzeichnend für diese Zeit ist eine verbreitete Unsicherheit angesichts eines beschleunigten und widersprüchlichen Wandels feudaler Strukturen zu frühindustriell-kapitalistischen. In dieser Zeit entsteht ein politischer Liberalismus in Deutschland, der sich in eine zuletzt unversöhnlich gegenüberstehende konstitutionell-monarchische und eine demokratische Richtung ausdifferenziert. Politisch wird das Ziel eines einheitlichen deutschen Nationalstaats mit gewählter Vertretung verfochten. In Baden trifft der historische Einschnitt durch die französische Julirevolution 1830 zeitlich zufällig mit der Thronfolge des volksnäher erscheinenden und die Verfassung mehr achtenden Großherzogs Leopold anstelle seines restaurativen Vorgängers Ludwig zusammen. Eine Episode blieb im Vormärz die Einführung der Pressefreiheit am 1. März 1832 in Baden. So war der Zeitschrift "Der Zeitgeist, ein Volksblatt für Deutschland", dessen Verleger der Buchdrucker Friedrich Wilhelm Hasper und dessen Redakteur der junge Karl Mathy waren, nur eine kurze Lebensdauer beschieden.

Prägnant für Karlsruhe waren in dieser Zeit das neue Gemeindegesetz von 1831 und weitere Reformen 1833 und 1837, die insbesondere den minderwertigen Schutzbürgerstatus weitgehend aufhoben und das Wahlrecht verbreiterten. Dadurch erweiterte sich die politische Teilhabe der Bürger, das Gewicht im Bürgerausschuss verschob sich von den gehobenen Kaufleuten und Bankiers zum Gewerbebürgertum. Die politische Differenzierung im Karlsruher Landtag anhand von Debatten über Pressefreiheit, Volksbewaffnung, soziale Fragen und deutsche Einheit in die Richtungen konservativ, gemäßigt-liberal und (radikal-)demokratisch schlug sich auch in der städtischen Politik nieder.

Generell war die Zeit des Vormärz in Karlsruhe deutlich von dem regierungstreuen und großherzogfreundlichen konservativen Bürgertum geprägt. Oppositionelle Strömungen sind kaum festzustellen. Auch in der Gemeindeverwaltung herrschte diese regierungstreue und obrigkeitsfreundliche Grundhaltung vor. Die beiden Oberbürgermeister August Klose (1830-1833), Bankier und Handelsmann, und Christian Füeßlin (1833-1847), Kaufmann, gehörten zur Karlsruher Oberschicht, die im Gemeinderat und in dem nach der Gemeindeordnung von 1831 eingeführten Bürgerausschuss dominierte.

Bewegung in die politische Landschaft kam erst 1846/47, als sich die durch die Missernten von 1845 ausgelöste Hungerkrise in Karlsruhe auf die Wahlergebnisse zum Bürgerausschuss auswirkten und die fortschrittlichen Kräfte siegten. Dieses Wahlergebnis schlug sich auch 1847 bei der Neuwahl von Gemeinderäten nieder, woraufhin Oberbürgermeister Füeßlin und mit ihm zwei Gemeinderäte ihren Abschied nahmen. Damit deutete sich ein leichter Wandel an, der Karlsruhe aber nicht zu einer Stadt werden ließ, die in den beiden folgenden Jahren zu einer Hochburg der Badischen Revolution 1848/49 wurde.

Dass Karlsruhe im Vormärz aber dennoch durch die kontinuierlich vorgetragenen liberalen demokratischen Forderungen z. B. nach Pressefreiheit und Einführung von Schwurgerichten die öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland und den benachbarten Staaten erregte, lag weniger an der Stadt als an dem hier angesiedelten Badischen Ständehaus und den dort geführten Debatten.

Jürgen Schuhladen-Krämer 2021

Literatur

Susanne Asche: Residenzstadt - Bürgerstadt - Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zum Industrie- und Verwaltungszentrum 1806-1914, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 191-353, S. 230-274, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 27. Juli 2022); Wolfgang Hug: Geschichte Badens, Darmstadt 19982 , S. 237-246; Ernst Otto Bräunche: Karlsruhe im Vormärz und in der Revolution 1848/49, in: Karlsruher Beiträge Bd. 6, Karlsruhe 1991, S. 107 – 125.