Menü
Suche

Otto Faist


Otto Faist, 1939, Stadtarchiv Karlsruhe 8/SpoA 7547.
Otto Faist beim Zieleinlauf als Gewinner des 200-Meter-Laufs bei den Badischen Meisterschaften 1926, Stadtarchiv Karlsruhe 8/SpoA 7539/30.

Otto Faist

Kaufmann, Leichtathlet, Fußballtrainer, * 11. März 1903 Karlsruhe, † Februar 1946 Kowel/Ukraine, ev., seit 1930 konfessionslos, ∞ 1935 Cäcilia (Cilly) Nolte, 3 Kinder.

Otto Faist wuchs in der Karlsruher Oststadt auf, wo seine Eltern Wilhelm und Luise Faist im eigenen Haus in der Ludwig-Wilhelm-Straße 12 die Gastwirtschaft Zum Scheffelhof führten. Der Sohn besuchte die Humboldtschule (Realgymnasium, heute Kantgymnasium) in der Englerstraße, machte nach dem Abitur eine Ausbildung als Kaufmann und studierte ab 1925 an der Handelshochschule in Mannheim.

Der Scheffelhof der Eltern war in den 1920er-Jahren Treffpunkt der Mitglieder des nicht allzu weit entfernten Stadions des FC Phoenix im Wildpark. 1921 trat Otto Faist in die in diesem Jahr wieder gegründete Leichtathletikabteilung des FC Phönix ein und engagierte sich als Schriftführer und Sportwart. Vor allem aber gehörte er zu den sportlichen Talenten, die der Trainer Georg Amberger zu großen Erfolgen führte. Zwischen 1924 und 1927 gewann er auf den Strecken über 100, 200 und 400 Meter sowie mit verschiedenen Staffeln (4 x 100-Meter, 10 x 100-Meter, 20 x 300-Meter, 4 x 400-Meter, Schwedenstaffel) mit Vereinsmannschaften des FC Phoenix und mit der deutschen Nationalmannschaft Badische, Süddeutsche und Deutsche Meisterschaften sowie Platzierungen unter den besten Dreien. Mit der 4 x 100-Meter-Staffel des FC Phoenix lief er 1926 zweimal deutschen Rekord und am 19. September in Kassel mit 41,9 Sekunden Europarekord für Vereinsstaffeln. Mit der 4 x 400-Meter-Staffel des FC Phoenix hielt er 1926 den deutschen Rekord für Vereinsstaffeln mit 3:24,2 Minuten und mit der Nationalstaffel den deutschen Rekord mit 3:17,4 Minuten.

Für das Jahr 1926 verzeichnete Faist zwischen Mai und Anfang Oktober 25 Leichtathletikveranstaltungen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, der Schweiz und als erster Deutscher nach 1918 in Paris mit meist mehreren Starts. Die so erfolgreiche 4 x 100-Meter-Staffel des FC Phoenix (Alex Nathan, Otto Faist, Kurt von Rappard, Robert Suhr) erhielt in der Presse den Beinamen "die fliegenden Karlsruher". Als einer der erfolgreichsten Sprinter der mittleren Jahre der Weimarer Republik gehörte Faist 1925 und 1926 der deutschen Leichtathletik-Nationalmannschaft an und galt als Kandidat für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1928.

Nach der Saison 1926 ging Faist nach Berlin zum Studium an der Deutschen Hochschule für Leibeserziehung, auch Alex Nathan kehrte zum Studium nach Berlin zurück. Faist startete 1927 noch für seinen Heimatverein, schloss sich aber 1928 dem SC Charlottenburg an. Mit dessen 4 x 100-Meter-Staffel, der auch Nathan angehörte, wurde er Deutscher Vizemeister. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1928 verhinderte eine Verletzung. Am Ende dieses Jahres beendete Faist sein Studium mit dem Schwerpunkt Fußball als Diplom-Turn- und Sportlehrer. Zu seinen Lehrern gehörte unter anderen Otto Nerz, ab 1930 Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft.

Seit 1930 arbeitete Faist als vom Deutschen Fußballbund (DFB) anerkannter Trainer. 1931/32 gewann er mit der bulgarischen Nationalmannschaft die Balkanmeisterschaft, wofür er mit der Großen Ehrenmedaille des Bulgarischen Olympischen Komitees ausgezeichnet wurde. Danach trainierte er neben anderen Vereinen in Westfalen den SV Höntrup, mit dem er 1934 Vizewestfalenmeister wurde. Seit 1938 leitete er - auch auf Empfehlung des damaligen Nationaltrainers Sepp Herberger - das Training des SC Schalke 04. Herberger stand dann auch in Kontakt mit ihm wegen der Abstellung von Spielern für die Nationalmannschaft. Mit dem traditionsreichen FC Schalke 04 gewann Faist 1939, 1940 und 1942 die Deutsche Meisterschaft, wurde 1941 Vizemeister und stand zweimal im Finale des Tschammer-Pokals, heute DFB-Pokal.

Faist trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und nahm als einziges Amt kurzzeitig die Position des Kreissportreferenten der NS-Organisation Kraft durch Freude (KdF) in Gelsenkirchen ein. 1942 wurde er zur Wehrmacht einberufen und kam nach der Ausbildung an verschiedenen Orten in Deutschland als Funker bei der Luftwaffe kurzzeitig in Hamburg und Norwegen und dann im Generalgouvernement (besetzte polnische Gebiete) bei Krakau zum Einsatz. Auch dort war er als Fußballtrainer des Luftwaffen Sportvereins Mölders Krakau tätig und gewann mit der Mannschaft 1943 und 1944 den Pokal des Generalgouvernements. Erst auf dem Rückzug vor der anrückenden Sowjetarmee und angesichts der Not und des Elends der Flüchtlingstrecks der Zivilbevölkerung schrieb er in einem Feldpostbrief, dass seine Begeisterung für den Nationalsozialismus verflogen sei. Am Ende des Krieges kam Faist in sowjetische Kriegsgefangenschaft und verstarb im Februar 1946 in einem sowjetischen Lager.

Manfred Koch 2022

Quellen

Teilnachlässe: Privatarchiv Manfred Faist; Vereinsarchiv des FC Schalke 04; StadtAK 8/SpoA 7539-7547.

Literatur

Stefan Goch/Norbert Silberbach: Zwischen Blau und Weiß liegt Grau, Essen 2005; Auf Spurensuche, in: Schalker Kreisel, Offizielles Vereinsmagazin, Saison 2011/2012 Nr. 24 vom 28. April 2012; https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Faist (Zugriff am 28. Januar 2022).