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Judenboykott


Boykott jüdischer Geschäfte in der Herrenstraße am 1. April 1933, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 5/22a.

Judenboykott

Bereits wenige Tage nach der Reichstagswahl am 5. März 1933 kam es am 13. März zu ersten antisemitischen Ausschreitungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gegen jüdische Geschäfte. Die Aktionen konzentrierten sich auf die Kaiserstraße, wo die zum Teil uniformierten Radauschläger erreichten, dass die jüdischen Inhaber ihre Geschäfte schlossen. Trotz der offiziellen Missbilligung dieser offensichtlich nicht von Parteistellen koordinierten Aktionen durch die neuen Machthaber gab es aber auch in der zweiten Märzhälfte immer wieder Sachbeschädigungen bei jüdischen Geschäften. Am 30. März beschloss der neu formierte Stadtrat, keine städtischen Aufträge mehr an jüdische Geschäfte zu vergeben. Dieser Beschluss ging weiter, als es der Reichsleitung und der NSDAP zu diesem Zeitpunkt geraten schien. Er musste deshalb zumindest teilweise zurückgenommen werden. Zwei Tage später, am 1. April, folgte der reichsweite Boykott, der die Bevölkerung aufrief, nicht in jüdischen Geschäften einzukaufen oder die Dienste von jüdischen Ärzten und Rechtsanwälten in Anspruch zu nehmen.

Diese erste reichsweite antisemitische, als Abwehrmaßnahme gegen angebliche jüdische "Greuelpropaganda" begründete Aktion war insgesamt ein Misserfolg, so dass unter anderem auch aus diesem Grund bis zur Reichspogromnacht 1938 weitere direkte Aktionen gegen jüdische Geschäfte unterblieben. Die Parole "Kauft nicht bei Juden" war aber dennoch wirksam und bedeutete für die meisten jüdischen Geschäfte einen Geschäftsrückgang, bevor sie "arisiert" wurden. Auch mit den im gleichen Zeitraum erlassenen Gesetzen mit antijüdischem Inhalt (7. April 1933 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums sowie Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und Gesetz über Widerruf von Einbürgerungen vom 14. Juli 1933) wurde früh die wirtschaftliche und berufliche Position von Juden untergraben.

Ernst Otto Bräunche 2012

Literatur

Ernst Otto Bräunche: Residenzstadt, Landeshauptsstadt, Gauhauptstadt. Zwischen Demokratie und Diktatur 1914-1945, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 358-502, S. 480-482, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 27. Juli 2022 ); Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern. Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich, 2. überarb. und erweit. Aufl. Karlsruhe 1990, S. 34-39, S. 73 f. (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs, Bd. 9), Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 27. Juli 2022); Marco Wottge: "Arisierung" in der Zeit des Nationalsozialismus in Karlsruhe, Karlsruhe 2020 (= Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 20).