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Junker & Ruh


Junker & Ruh

Werksansicht Junker & Ruh AG, Sophienstraße, 1895, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVf 33.
Werksansicht Junker & Ruh AG, Sophienstraße, 1895, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVf 33.
Junker & Ruh-Nähmaschine, Ende 19. Jahrhundert, Stadtmuseum 2002/2.
Junker & Ruh-Nähmaschine, Ende 19. Jahrhundert, Stadtmuseum 2002/2.
Luftaufnahme Junker & Ruh AG, Bannwaldallee 42, um 1920, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS XIVf 44.
Luftaufnahme Junker & Ruh AG, Bannwaldallee 42, um 1920, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS XIVf 44.
Aufnahme anlässlich der Schließung von Junker & Ruh, August 1968, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A16/34/5/2A.
Aufnahme anlässlich der Schließung von Junker & Ruh, August 1968, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A16/34/5/2A.

Am 1. Februar 1870 gründeten Karl Junker und August Ruh die Firma Junker & Ruh. Junker, der 1862 zur Nähmaschinenfabrik Haid & Neu nach Karlsruhe gekommen war, machte sich 1868 mit der Herstellung von Nähmaschinen in einer Kellerwerkstatt in der Sophienstraße selbstständig. Ruh führte ein Stickereigeschäft und vertrieb amerikanische Singer-Nähmaschinen. Junker übernahm in der neuen Firma die technische, Ruh die kaufmännische Leitung.

Schon 1872 erwarb die Firma ein 9.200 Quadratmeter großes Gelände im Gewann Sommerstrich westlich der Maxaubahn und südlich der Sophienstraße. Dort entstanden bis zur Jahrhundertwende nach und nach Fabrikhallen, eine Gießerei die von Zulieferern unabhängig machte und Aufträge von Dritten ausführte, ein Emaillierwerk und Neubauten an der Sophien- und Lessingstraße. Bis 1895 produzierten die Mitarbeiter, deren Zahl zu dieser Zeit etwa 600 betrug, über eine halbe Million Nähmaschinen. Damit gehörte die Firma zu den größten Industriebetrieben in der Stadt.

Um 1880 nahm die Firma die Produktion von Dauerbrandöfen auf, die Weiterentwicklung eines amerikanischen Produkts. Abnehmer fanden sich auf der ganzen Welt. Die zunehmende Versorgung der Haushalte mit Gas ermöglichte ab 1904 die Produktion des Familiengasherdes, der den Kohleofen für Speisezubereitung ablöste. 1911 beschäftigte die Firma 700 Personen, womit sie die größte Firma in Karlsruhe war, die nicht AG oder GmbH war. Sie verfügte über eine Vernicklungsanstalt und eine Emaillierung.

Wegen stetig steigendem Absatz der Junker & Ruh-Produkte kaufte die Firma 1910 ein 46.000 Quadratmeter großes Gelände an der Bannwaldallee für ihre neue Produktionsstätte mit einem markanten 63 Meter hohen Schornstein. 1912 siedelte die Firma mit 700 Mitarbeitern in das neue Werksgelände um. Technische Weiterentwicklungen führten zur Herstellung von Großkücheneinrichtungen.

Die wirtschaftlich schwierigen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Verlust des Absatzgebiets jenseits des Rheins und der hohen Inflation überstand die Firma auch dank der differenzierten Produktpalette. 1926 beschäftigte das 1921 in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Unternehmen etwa 1.500 Menschen. Zu dieser Zeit produzierte man bereits hauptsächlich Koch- und Heizgeräte, 1930 wurde die Fertigung von Nähmaschinen ganz eingestellt und Elektroherde ins Produktionsprogramm aufgenommen.

Der große Erfolg der Junker & Ruh AG in den 1930er-Jahren spiegelt sich in der Einrichtung großer Verkaufsniederlassungen in Hamburg, Köln, Berlin, München, Wien, Breslau, Paris und Rotterdam. Die Weltfirma Junker & Ruh produzierte außerdem in Werken in Sao Paulo, Mailand und Turin sowie nach der Besetzung Polens durch Deutschland in Graudenz an der Weichsel.

Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs bekam Junker & Ruh zahlreiche Aufträge zur Lieferung von Großküchen an die Marine und Anfang 1941 einen Auftrag über 3.600 Öfen für Luftschutzräume und Baracken. Wie im Ersten Weltkrieg mussten auch jetzt wieder Waffen hergestellt werden. Als kriegswichtiger Betrieb konnte die Firma in Karlsruhe die durch Verpflichtungen zum Wehrdienst entstandene Personalknappheit dank der Zuteilung von "ausländischen Zivilarbeitern" ausgleichen. Am 30. Juni 1944 beschäftigte Junker & Ruh 1.729 Menschen, darunter 47 Kriegsgefangene und 330 Zwangsarbeiter.

Die Luftangriffe im September und Dezember 1944 zerstörten über die Hälfte des Werkes, noch verwendbare Maschinen wurde zur Rettung nach Thüringen geschafft, dort aber nach Kriegsende von der Sowjetarmee beschlagnahmt. Die Karlsruher Werkseinrichtungen dienten den französischen Besatzungstruppen zur Reparatur von Panzern oder wurden nach Frankreich abtransportiert. Zu verkraften war auch der Verlust der ausländischen Fabriken wie der Vertriebsstellen.

Der Wiederaufbau der Produktionsstätten dauerte bis 1953 mit innovativen Produkten wie dem vollgesicherten Gasherd, Dunst-Abzugshauben für die Küche, dem Elektroherd, Großkücheneinrichtungen und Elektrokleingeräten (Raumheizlüfter, Kaffeemühlen). Auch wenn damit neue Märkte erschlossen wurden, geriet die Firma 1954 in Schwierigkeiten und musste 400 Beschäftigte entlassen. Erst 1959 erzielte die Firma wieder Gewinne. 1961 erfolgte die Umwandlung in eine GmbH mit einem Kapital von vier Millionen, das 1964 auf 14 Millionen aufgestockt wurde. 1965 hatten die Brettener Neff-Werke, ein direkter Konkurrent, das nach wie vor ertragsarme Unternehmen Junker & Ruh mit etwa 1.600 Beschäftigen übernommen. Der neue Besitzer, der von Junker & Ruh hohe Verbindlichkeiten übernommen hatte, konnte in Karlsruhe die Investitionen in rentable Fertigungsmethoden nicht leisten. Daher musste 1968, fast 100 Jahre nach der Firmengründung, die Produktion in der ersten Rezessionsphase der deutschen Nachkriegswirtschaft endgültig eingestellt werden.

Der Hallenkomplex, 320 Meter lang und 120 Meter breit, wurde 1975 abgeräumt und das Gelände nach mehrjährigen Bemühungen an verschiedene Großunternehmen verkauft. An das einst weltweit aktive Unternehmen, das in seiner Blütezeit bis zu 3.000 Menschen beschäftigte, erinnert in Karlsruhe nur noch der Name Junker-und-Ruh-Straße sowie die Junker-und-Ruh-Brücke über die Alb.

Manfred Koch 2024

Quellen

Festzeitung zum 25jährigen Jubiläum der Firma Junker & Ruh in Karlsruhe am 4. Februar 1895, StadtAK 8/StS 24/135; 8/ZGS Wirtschaftsunternehmen Junker & Ruh; Edmund Sander: Karlsruhe. Einst und Jetzt in Wort und Bild, Karlsruhe 1911, S. 156f.

Literatur

Manfred Fellhauer: Karlsruher Industriegeschichte: Die Firma Junker & Ruh, in: Blick in die Geschichte Nr. 102 vom 21. März 2014, https://stadtgeschichte.karlsruhe.de/stadtarchiv/blick-in-die-geschichte/ausgaben/blick-102/junker-und-ruh); Albert Gieseler: Junker & Ruh, Nähmaschinenfabrik, http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen1/firmadet12989.shtml (Zugriff jeweils am 5. November 2024).