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Gewerbehof


Blick in den Gewerbehof, Dezember 1985, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A50/105/4/21.
Plakat "Das Fest zur Eröffnung des Gewerbehofs in der Steinstraße 23 am 16. Mai 1987", Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS X 9194.

Gewerbehof

Steinstraße 23.

In den 1970er- und 80er-Jahren gab es in der Bundesrepublik Deutschland geradezu einen Gründungsboom von selbstverwalteten Alternativbetrieben. Karlsruhe erreichte diese Bewegung erst relativ spät. Hier schlossen sich 1984/85 einige Gewerbetreibende, Dienstleister und Organisationen zu dem gemeinnützigen Verein Freiraum e. V. zusammen, dessen Ziel es war, mit städtischer Unterstützung ein innerstädtisches Fabrikgebäude in einen Gewerbehof für selbstverwaltete Unternehmen zu verwandeln. Die Stadt, so sah es ihr Konzept vor, sollte ein geeignetes Objekt erwerben und dieses an den Verein als Trägergemeinschaft verpachten. Unterstützung erhielt die linksalternative Initiative, die in der Öffentlichkeit sowohl große Erwartungen als auch große Befürchtungen schürte, durch die damalige SPD-Stadträtin Heike Salisch sowie in der frühen Phase auch durch den damaligen Finanzdezernenten und Ersten Bürgermeister Gerhard Seiler.

Zum Jahresende 1985 fand man mit dem Anwesen Steinstraße 23 eine passende Immobilie. Während das viergeschossige Vorderhaus (Wohnhaus) am Lidellplatz im Frühsommer 1986 durch die gemeinnützige städtische Tochtergesellschaft Volkswohnung GmbH erworben wurde, kaufte die Stadt den rückwärtigen Teil des Anwesens mit dem ehemaligen Druckereigebäude der Kunstdruckerei Arthur Albrecht & Cie., den Nebengebäuden und dem Hof.

Die Umbaumaßnahmen zum Gewerbehof, mit deren Planung und Leitung das junge Architekturbüro archis beauftragt wurde, beliefen sich auf insgesamt 1,8 Millionen DM. Die Stadt Karlsruhe steuerte 270.000 DM und das Landesdenkmalamt 95.000 DM bei. 200.000 DM wurden in Eigenleistung der künftigen Mieter erbracht. Für die Einrichtung der geplanten Kindertagesstätte konnte auf einen Sozialzuschuss in Höhe von 435.000 DM zurückgegriffen werden. Die noch fehlenden 800.000 DM wurden von der Stadt über Kredite bei der Karlsruher Sparkasse und der Stuttgarter GLS-Gemeinschaftsbank vorfinanziert und durch die Trägergemeinschaft Freiraum bis 2008 in Raten an die Stadt zurückbezahlt.

Im April 1987 zogen die ersten Alternativbetriebe, gemeinnützige Organisationen und Dienstleister, die eine selbstbestimmte, kollektive Arbeitsform, Kostendeckung statt Gewinnmaximierung und anderes anstrebten und mit ihrer alternativen Arbeits- und Lebensform ein antikapitalistisches Statement setzen wollten, in den Gewerbehof ein. Noch heute, nach rund 35 Jahren, finden sich Handwerks-, Dienstleistungs-, Gastronomie-Betriebe und soziokulturelle Einrichtungen der ersten Stunde an dem zentrumsnahen Standort, darunter das Café Palaver, die Druckcooperative, die Werbewerkstatt und die Kindertagesstätte. Andere wie Henrys oder das Basislager haben als Nischenbetriebe im Gewerbehof angefangen, dann aber aufgrund ihres Geschäftserfolges neue innerstädtische Standorte im Zirkel und in der westlichen Kaiserstraße bezogen.

Katja Förster 2021

Quellen

Gemeinderatsprotokolle von der 12. Plenarsitzung am 17. September 1985 und der 19. Plenarsitzung am 15. April 1986, in: StadtAK 3/B 1754 und 1756.

Literatur

20 Jahre Gewerbehof. Erfolgsgeschichte aus der Steinstraße, in: Klappe auf, 5/2007, https://klappeauf.de/archiv.php?article=2662&dateRange=2007-05 (Zugriff am 16. Dezember 2021); StadtAK 8/ZGS; Gewerbehof Karlsruhe, https://gewerbehof-karlsruhe.de/ (Zugriff am 16. Dezember 2021).