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Der Narrenverein von Pfannenstielhausen


"Kampf der Narrheit gegen philisterhafte Opposition", Innentitelillustration der Chronik von Pfannenstielhausen, 1841-1845, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 70.
Titelillustration der Zeitung "Narren-Turney", Nr. 1, Schmutziger Donnerstag 1843, Badische Landesbibliothek OZB 969.

Der Narrenverein von Pfannenstielhausen

Im Winter 1842 versammelte sich ein kleiner Kreis von Künstlern und Literaten im Pfauen, einer Brauereiwirtschaft gegenüber der Infanteriekaserne, um den Narrenverein von Pfannenstielhausen zu gründen. Nach dem erfolgreichen ersten Fastnachtsumzug in Karlsruhe, den die Gesellschaft Eintracht 1841 organisiert hatte, wollte dieser Kreis an die Aktivitäten der Fastnachtshochburgen Köln und Mainz und "selbst des nahen Mannheim" anknüpfen, um dem Karlsruher Karneval "einen höheren Schwung" zu geben, wie es hieß. Die wichtigsten Protagonisten des neuen Vereins waren Guido Schreiber, Professor für Geometrie am Polytechnikum, der Maler Lucian Reich, der damals aus München nach Karlsruhe gekommen war, um Moritz von Schwind bei der Ausmalung der Kunsthalle zu helfen, der weitgereiste Schriftsteller August Lewald, der seit 1841 seine Zeitung "Europa. Chronik der gebildeten Welt" in Karlsruhe verlegte, Archivrat Josef Bader, der zum Brauchtum im Land Baden publizierte, und Hofschauspieler Heinrich Schütz, der in der Chronik von Pfannenstielhausen alle Vereins- und Fastnachtsaktivitäten von 1841 bis 1845 ausführlich schildern sollte. Später kam noch Berthold Auerbach hinzu, der seit 1843 in seinen in Karlsruhe erstmals erschienenen Schwarzwälder Dorfgeschichten den Alltag und auch das Hansellaufen in seiner Heimat schilderte. Diese Initiatoren waren sowohl mit dem rheinischen Karneval als auch mit der alemannischen Fastnacht und dem Münchner Künstlerfasching vertraut und brachten diese Einflüsse in die Karlsruher Fastnacht ein.

Der Vereinsname Pfannenstielhausen leitete sich vom Übernamen der Taglöhnersiedlung Klein-Karlsruhe Dörfle ab, die schon zur Zeit der Stadtgründung südöstlich der damaligen Kernstadt entstanden war und als deren Anhängsel betrachtet wurde. Die Narren verwendeten die Bezeichnung aber als Synonym für die Gesamtstadt. Der schließlich 110 Mitglieder starke Narrenverein bestand dann immerhin zur Hälfte aus Handwerkern und zu 15 % aus Wirten und Kaufleuten, was auch den Umzügen und Veranstaltungen zugutekam. Auf dem Marktplatz wurde 1843 ein Narrenjahrmarkt mit Bier- und Wurstbuden aufgebaut. Dort schlug auch die Zopfmiliz, eine männliche Garde, die der Wirt zum Goldenen Kreuz gegründet hatte und die an napoleonische Zeiten erinnern sollte, ihr Lager auf. Im Umzug wurde der Königin Fastnacht gehuldigt, die mit einem großen Hofstaat ausgestattet worden war. Daneben beteiligten sich unter anderen Hahnenreiter, eine Galerie berühmter Zeitgenossen, ein Musikkorps auf einem Schlitten, die sieben Schwaben auf einem Leiterwagen und acht Oberländer Hansel aus Villingen am Umzug, den 40.000 Menschen gesehen haben sollen. Die Planung dieses Umzugs ging im Wesentlichen auf Lucian Reich zurück, der wohl auch die Titelillustrationen der Zeitung Narren-Turney entwarf, die alle diese Elemente zeichnerisch festhielten. 1844 war der Umzug dann ähnlich strukturiert. Statt der Königin Fastnacht wurde aber nun dem König Hanswurst gehuldigt, dessen Alter Ego in den Harlekinaden des Hoftheaters schon lange bekannt war. 1845 fand der letzte, nun wesentlich kleinere Fastnachtsumzug vor der Revolution von 1848/49 statt. Lewald, Reich und Auerbach verließen in diesem Jahr Karlsruhe bereits wieder. Narrensitzungen fanden aber weiterhin in der Brauerei Görger in der Waldstraße statt.

In den Fastnachtszeitungen wurden die Protokolle der Narrensitzungen und die Programme der Umzüge und Veranstaltungen und sogar einzelne Büttenreden wiedergegeben. Erklärtes Ziel war es, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, daher der Name der zweiten Zeitung Narrenspiegel. Redaktionsleiter war bis 1845 August Lewald, ihm folgte Guido Schreiber, der schon seit der Gründung des Vereins dessen Präsidentschaft innehatte, aber 1848 abgelöst wurde. Ob dies mit seiner demokratischen Gesinnung zusammenhing, die er in den Narrenzeitungen zum Ausdruck brachte, kann nur vermutet werden. Mit der Niederschlagung der Revolution von 1848/49 enden jedenfalls auch alle Aktivitäten des Narrenvereins von Pfannenstielhausen.

Peter Pretsch 2021

Quelle

StadtAK 8/Alben 70.

Literatur

Ernst Schneider: "Chronik der Edlen Narrheit". Zur Geschichte der Karlsruher Fastnacht im 19. Jahrhundert, in: Forschungen und Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg, 1974-1977, Bd. 3, Stuttgart 1977, S. 41-67; Peter Pretsch: "Geöffnetes Narren-Turney". Geschichte der Karlsruher Fastnacht im Spiegel gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen, Karlsruhe 1995 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 16); Jenny Dopita: Der Maler und Schriftsteller Lucian Reich (1817-1900), Ubstadt-Weiher 2007, S. 102-113 (= Stadtgeschichtliche Reihe der Stadt Rastatt Bd. 10).