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Badischer Beobachter


Extrablatt des Badischen Beobachters, 31. Juli 1914, Stadtarchiv Karlsruhe 8/ZeE 346, Bl. 1.
Der Gebäudekomplex der Badenia Druckerei mit Badischem Beobachter Ecke Adlerstraße/Steinstraße, 1927, Badenia-Archiv.

Badischer Beobachter

In Karlsruhe erschien vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 eine Vielzahl von Zeitungen, zu denen der Badische Beobachter gehörte. Er ging auf den Karlsruher Anzeiger zurück, der als sogenannter Straßenanzeiger etwa 800 Abonnenten zählte. Schon lange vorher war eine eigene Zeitung in Baden vermisst worden, die als Sprachrohr katholische Standpunkte hätte vertreten können. Einen ersten Anlauf hatte der Herdersche Verlag in Freiburg mit der Wochenzeitung Süddeutsches Katholisches Kirchenblatt im Jahr 1841 unternommen. Die Süddeutsche Zeitung, wie sie seit 1845 hieß, erschien seit 1847 als Tageszeitung, allerdings nur bis ins folgende Jahr, als sie wieder eingestellt werden musste. Es sollte dann noch zwölf Jahre dauern, bis in Karlsruhe, der Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums Baden, eine eigene katholische Tageszeitung erschien. Bis dahin war das Stuttgarter Deutsche Volksblatt die katholische Tageszeitung Karlsruhes und auch Badens.

Ende des Jahres 1859 erwarben eine Anzahl führender katholischer badischer Honoratioren und Politiker, darunter Hofrat Karl Zell, Archivdirektor Franz Josef Mone und Oberzolldirektor Michael Erwin Kirchgeßner, das Blatt, das die Interessen der Katholiken auf politischem Gebiet vertreten sollte. Noch im Jahr 1860 stieg die Zahl der Abonnenten des Anzeigers mit 2.200 auf eine Höhe, die die "Süddeutsche Zeitung" in den 40er Jahren nie erreicht hatte. Wegen seines entschiedenen Eintretens für das Konkordat hieß der Anzeiger in liberalen Kreisen auch bald das "Konkordatsblatt". Zu den regelmäßigen Mitarbeitern gehörten die führenden Köpfe der katholischen Richtung Karl Zell, Franz Josef Ritter von Buß, Franz Josef Mone, Jakob Lindau, Bernhard Reichsfreiherr v. Andlaw-Birseck und der ehemalige Finanzmister Franz Anton Regenauer. Keine Konsequenz für Inhalt und politische Richtung hatte die Umbenennung des Anzeigers in "Badischer Beobachter mit Karlsruher Anzeiger" zum 1. Juni 1863. Mit dem neuen Namen wollte man offensichtlich eine breitere Basis im Großherzogtum Baden erreichen. Schon im Titel der Zeitung sollte deutlich werden, daß es sich um keine lokale, sondern eine regionale Zeitung handelte.

Als nach dem österreichisch-preußischen Krieg von 1866 großdeutsche Positionen nicht mehr opportun waren, kündigte im Sommer 1866 der Verleger Theodor Gerbracht den Druck des Blattes, das daraufhin dem Herderschen Verlag in Freiburg den weiteren Druck übertrug. Als 1869 die badische Katholische Volkspartei gegründet wurde, vertrat der Beobachter als Parteizeitung deren Positionen.

Um zu verhindern, dass die Zeitung keine Druckerei finde, gründeten auf Initiative von Franz Xaver Lender die führenden Männer der Katholischen Volkspartei den in Karlsruhe angesiedelten Badenia-Verlag, der die Zeitung bis zu deren von den Nationalsozialisten erzwungenen Aufgabe 1935 herausgab. Gedruckt wurde in der Innenstadt, zunächst seit 1874 in der Adlerstraße 18, dann ab 1887 in der Adlerstraße 42. Nach dem Kauf des Nachbaranwesens Ecke Adlerstraße/Steinstraße konnte hier am 2. April 1927 ein neues Bürohaus,das Theodor-Wacker-Haus, eingeweiht werden.

1888 hatte der Badische Beobachter im Streit um die Ausrichtung der Katholischen Volkspartei auf Seiten Theodor Wackers gestanden und war diesem nach der Gründung des badischen Zentrums, gefolgt, dessen Hauptorgan er bis 1933 blieb. 1879 bekam der Badische Beobachter nach dem Beispiel anderer Zeitungen eine erfolgreiche Wochenbeilage, das Unterhaltungsblatt Sterne und Blumen, das reichsweit auch in anderen Zentrumsblättern erschien. Die 1920 eingestellte Beilage erschien 1924 wieder, 1932 wurde sie umbenannt in Die Bildschau. Sterne und Blumen. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Badische Beobachter mehr als 4.000 Abonennten.

Die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 bedeutete das Aus des Badischen Beobachters, der in der Weimarer Republik auf eine stabile Auflagenhöhe von rund 10.000 bauen konnte. Schon vor der Reichstagswahl am 5. März 1933 wurde er zweimal verboten. Zum 30. September 1933 wich der Hauptschriftleiter, der Geistliche Rat Dr. Theodor Meyer, nach 30-jähriger Tätigkeit dem nationalsozialistischen Druck und trat von seinem Posten zurück. Gänzlich einstellen musste der Badische Beobachter sein Erscheinen Ende 1935 nach mehr als 70 Jahren aufgrund der Anordnung des Präsidenten der Reichspressekammer vom 24. April 1935 zur Wahrung der Unabhängigkeit des Zeitungsverlagswesens, dessen Artikeln II, IV und IX der Badische Beobachter nicht entsprach. Im Artikel IV war explizit geregelt, dass Zeitungen künftig nicht mehr auf einen bestimmten konfessionellen Leserkreis ausgerichtet sein durften. Das Ende des Badischen Beobachters und aller Zentrumszeitungen, in Baden waren es allein 21, war damit gekommen.

Ernst Otto Bräunche 2016

Quellen

StadtAK 8/Ze 5; http://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/2411045 (Zugriff am 8. März 2016).

Literatur

Ernst Otto Bräunche: "Schon wieder eine neue Zeitung!" Ein Überblick zur Entwicklung der Presselandschaft in Karlsruhe seit dem 18. Jahrhundert, in: Manfred Koch (Hrsg.): Bewegte Zeiten. Beiträge zur Karlsruher Geschichte, Ubstadt-Weiher 2022, S. 187-216 (= Forschungen und Quellen. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 21); Ernst Otto Bräunche: 125 Jahre Badenia-Verlag und -Druckerei Karlsruhe: "ein gewiß zeitgemäßes Unternehmen", Karlsruhe 1999; Konrad Dussel: Pressebilder in der Weimarer Republik. Entgrenzung der Information, Münster 2012; Konrad Dussel: Die Nazifizierung der deutschen Presse. Eine Fallstudie am Beispiel der Presse Badens 1932 bis 1944, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins (ZGO) 161, 2013, S. 427-456; http://www.boa-bw.de/bsz469296682.html (Zugriff am 3. August 2016).