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Gerwigstraße


Blick von Westen, Höhe Georg-Friedrich-Straße, 1899, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIIIb 346.
Gerwigstraße 28, ehemaliges Werkswohngebäude der Firma Wolff & Sohn, 2018, Foto: Feitenhansl.
Nordseite der Gerwigstraße ab Nr. 33, 2018, Foto: Feitenhansl.
Gerwigstraße 65, VBK-Betriebshof mit Majolika-Wandbild, 2018, Foto: Feitenhansl.

Gerwigstraße

Die Straße ist die zentrale West-Ost-Achse in der Oststadt, die nördlich der Durlacher Allee und parallel zu ihr verläuft. Sie wurde 1891 auf damals noch unbebautem Feld neu angelegt und trägt seitdem den Namen des Karlsruher Ingenieurs Robert Gerwig (1820-1885). Um 1900 endete sie noch kurz hinter der Tullastraße, bevor bis spätestens 1920 die östliche Begrenzung am Weinweg, der Gemarkungsgrenze zu Rintheim, erreicht war.

Die Gerwigstraße beginnt an der Georg-Friedrich-Straße im Westen und wird von der Veilchenstraße, der Tullastraße und vom Ostring gekreuzt. Von Norden kommen die Sternbergstraße, die Humboldtstraße, die Berckmüllerstraße und die Käppelestraße hinzu, von Süden die Seubertstraße und die Straße Am Badenwerk.

Im östlichen Bereich bis zur Tullastraße herrscht dichte, zum großen Teil aus der Gründerzeit stammende und vom Zweiten Weltkrieg weitgehend verschonte Wohnbebauung vor. Es waren entsprechend der Sozialstruktur des Stadtteils meist viergeschossige Wohnhäuser mit Werkstätten oder Kleinbetrieben im Hinterhof.

Hervorzuheben sind unter anderem die Wohnhausgruppe mit Gaststätte und Läden, 1897 erbaut von Ludwig Fischer (Nrn. 2, 4, 6, sowie angrenzend in der Georg-Friedrich-Straße) und der Teil des malerisch gruppierten Wohnhauskomplexes Durlacher Allee/Tullastraße/Gerwigstraße, 1904 von Otto Büche erbaut. Von der Firma Wolff & Sohn existieren in der Gerwigstraße noch schlichte Werkswohngebäude aus Backstein (Nrn. 26, 28). Einige Schritte weiter, jenseits der Veilchenstraße, steht das 1902 vom bekannten Karlsruher Jugendstil-Architekten Hermann Billing für Wilhelm Pfrommer errichtete Wohn- und Geschäftshaus. Hier ist heute das zentrale Dienstleistungszentrum des Diakonischen Werks Karlsruhe untergebracht (Nr. 35). Schräg gegenüber war ursprünglich das, wie alle vorgenannten Bauten ebenfalls denkmalgeschützte Baumaterialiengeschäft Ludwig Reiss beheimatet (Nr. 38). Eine Inschrift über dem Tor des Vorderhauses, das 1905 ebenfalls von Hermann Billing erbaut worden war, weist heute noch auf den Bauherrn hin. Hier brachte der pfiffige Handwerker Musterflächen mit glasierten Fliesen, zum Beispiel mit floralen Mustern und reich verzierten Abschlussleisten für repräsentative Hauseingänge, an den unteren Wandflächen der Torfahrt an, um als „Verkaufsprospekt an der Wand“ der Kundschaft die Qualität und Vielfalt seiner Arbeit anschaulich zu machen.

Im baulich jüngeren Abschnitt jenseits der Tullastraße sticht nach einigen Wohnhausgruppen an der Nordseite der ab 2008 neu erbaute Betriebshof Gerwigstraße der Verkehrsbetriebe Karlsruhe hervor (Nr. 65). Der zweite Bauabschnitt mit einer dritten Wagenhalle für den laufend erweiterten Fuhrpark wurde Ende 2016 eingeweiht. Schräg gegenüber steht der 1998 von Rossmann + Partner geplante zweigeschossige Nordflügel der EnBW Energie Baden-Württemberg mit seinen sechsgeschossigen Riegelvorsprüngen (Nrn. 64, 64a, 66, 66a).

Nach dem Ostring bzw. der Eisenbahnstrecke nach Mannheim entsteht auf dem gesamten Areal bis zum Weinweg und der Durlacher Allee der Komplex des am Ende 28 Meter hohen IKEA-Möbelhauses mit Parkanlage auf dem Dach. Gegenüber befindet sich seit 1970 das ehemalige Möbelhaus Mann Mobilia (seit 2005 XXXLutz) und an der Nordseite die Karlsruher Großmarkthalle. Die Brücke über die Bahngleise im Osten, wo die Straße in die Elfmorgenbruchstraße übergeht, befand sich ursprünglich an der Durlacher Allee und wurde 1956 hierher versetzt.

Die außergewöhnliche Breite der Straße - von der Sternbergstraße bis zum Beginn der Elfmorgenbruchstraße sind die Richtungsfahrbahnen fast durchgehend von einem Mittelstreifen getrennt, der zwischen Sternbergstraße und Tullastraße mit Bäumen bewachsen ist - rührt von einem früheren Industriegleis von der Bahnstrecke nach Heidelberg her, das die Straße fast auf ganzer Länge durchzog. Neben einem Anschluss zur Firma Wolff & Sohn gab es Abzweige in die Humboldtstraße (hier auch der Gerwig-Brunnen von 1987) und in die Sternbergstraße, was deren geschwungenen Anfang und die dortigen kleinen Grünanlagen erklärt. Östlich der Tullastraße wird das noch bestehende Gleis heute als Betriebsgleis für den Betriebshof der Verkehrsbetriebe genutzt.

Roland Feitenhansl 2017

Literatur

Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Jochen Karl Mehldau: Straßennamen in Karlsruhe, Karlsruhe 1994 (= Karlsruher Beiträge Nr. 7); Michael Obert: Hundert Jahre Bürgerverein Oststadt, Karlsruhe 1996; Monika Bachmayer/Robert Dreikluft: Jugendstil in Karlsruhe, Karlsruhe 2002; Annette Ludwig/Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Karlsruhe - Architektur im Blick, Karlsruhe 2005; Bernhard J. Lattner/Roland Feitenhansl: Stille Zeitzeugen. 900 Jahre Karlsruher Architektur, Karlsruhe 2007; Ferdinand Leikam: Karlsruhe so wie es war, Düsseldorf 2015.