Willi Gutmann
Diplom-Kaufmann, Politiker, * 9. Juni 1900 Basel, † 16. Februar 1976 Karlsruhe, ∞, 6 Kinder.
Der Sohn eines deutschen Kapellmeisters nahm als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Danach arbeitete der Diplom-Kaufmann in der Industrie und wechselte 1927 in die Reichsfinanzverwaltung. 1935 wurde der zuvor schon in einer Gemeindeverwaltung Tätige Bürgermeister von Tiengen. Dort agierte er ganz im Sinne der NS-Ideologie. Eine von ihm veranlasste Ortssatzung wurde 1935 sogar wegen einer zu judenfeindlichen Tendenz weitgehend aufgehoben.
Gutmann hatte sich zunächst im Evangelischen Volksdienst politisch betätigt, ehe er zum 1. März 1932 der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei beitrat (NSDAP) und mit der Mitgliedsnummer 966.564 ein "Alter Kämpfer" wurde. In der Zeit des Nationalsozialismus war Gutmann von 1935 bis 1945 Bürgermeister der Stadt Tiengen. Auch vor dem Novemberpogrom 1938 trat Gutmann als Antisemit in Erscheinung, so nannte er Juden eine "internationale Mörderbande". Am 9. November ließ er zwei Dutzend jüdische Einwohner Tiengens festnehmen und in ein Konzentrationslager bringen, in dem zwei gestorben sein sollen. Kurz vor Kriegsende 1945 setzte er die Verteidigung Tiengens trotz aussichtloser Lage durch und provozierte so einen weiteren Angriff von sechs Jagdbombern, der zahlreiche Verletzte und acht Tote, darunter vier Kinder, forderte.
Nach der Besetzung durch französische Truppen wurde Gutmann verhaftet und interniert. 1947 verurteilte ihn das Landgericht Waldshut wegen "Landfriedensbruchs", "Anreizung zum Klassenkampf" und "Freiheitsberaubung im Amt" zu anderthalb Jahren Gefängnis. Nach seiner Entlassung 1949 zog Gutmann nach Karlsruhe, wo er mit Franz Kienle den Ärztekongress Deutsche Therapiewoche begründete und bis 1965 als deren Ausstellungsleiter tätig war.
Gutmann zog nun nach Karlsruhe und engagierte sich in der Notgemeinschaft Württemberg-Baden, einem Vorläufer der Ende 1949 gegründeten Deutschen Gemeinschaft/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten, in dessen Karlsruher Ortsverein er unter anderem als Redner in Versammlungen auftrat. 1955 übernahm Gutmann den Vorsitz des Kreisverbands der nun als Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) firmierenden Partei. Der Partei war er beigetreten, um "allen von den Folgen des Zusammenbruchs des Reiches betroffenen Deutschen, den Vertriebenen, Entrechteten, Kriegsgeschädigten, Internierten, Entnazifizierungsgeschädigten, sog. 131ern (zu denen ich selbst gehöre), eine politische Heimat und Vertretung zu geben." (Badische Neueste Nachrichten vom 2. März 1956). Von 1956 bis 1963 gehörte er dem Karlsruher Stadtrat an, seit 1961 als Mitglied der aus der Fusion des GB/BHE mit der Deutschen Partei (DP) entstandenen Gesamtdeutschen Partei.

Karriere machte er danach bei der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), an deren Gründung er beteiligt war, und deren stellvertretender Bundesvorsitzender, im April 1965 Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg er wurde. Beide Funktionen gab er 1968 auf, als er bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 28. April im Wahlkreis 9 (Leonberg) – er hatte auch im Wahlkreis Karlsruhe kandidiert - in den baden-württembergischen Landtag gewählt und Fraktionsvorsitzender wurde. Seine NS-Vergangenheit wurde nun öffentlich diskutiert und führte trotz mangelnden Schuldbewusstseins zum Rücktritt als Fraktionsvorsitzender Ende 1968. Er blieb aber bis 1972 Landtagsabgeordneter.
Quellen
StadtAK ZGS Personen, Wilhelm Gutmann; Weicher Willi, in: Der Spiegel. Nr. 19, 1968, S. 36, https://www.spiegel.de/politik/weicher-willi-a-58d9ebf7-0002-0001-0000-000046039869 (Zugriff am 27. März 2025).
Literatur
Wilhelm Gutmann, in: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Gutmann (Zugriff am 26. März 2025); Christoph Kopke: Wilhelm Gutmann: "Juden und Judenstämmlingen ist der Zuzug nach Tiengen untersagt", in: Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Baden-Württemberg, Bd. 6: NS-Belastete aus Südbaden, Gerstetten 2017.