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Wilhelm Martin


Wilhelm Martin mit einer Teilansicht des Chorfensters mit der Darstellung des Evangelisten Lukas in einer im Bau befindlichen Kirche in Weingarten, 1955, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A3/114/3/22A.

Wilhelm Martin

Maler, * 25. Mai 1894 Weingarten/Lkr. Karlsruhe, † 12. November 1969 Weingarten/Lkr. Karlsruhe, ev., ledig.

Als zweitältestes von zehn Kindern wuchs Martin in äußerst bescheidenen bäuerlichen Verhältnissen auf, die trotz seines zeichnerischen Talents an eine künstlerische Ausbildung nicht denken ließen. Nach Abschluss der Volksschule half er dem Vater zunächst in der Landwirtschaft, konnte es aber dann mit Hilfe eines Onkels durchsetzen, in den Wintermonaten 1908/09 Privatstunden bei dem auf Porträtmalerei spezialisierten Kunst- und Kirchenmaler Joseph Himmel in Karlsruhe zu erhalten. Von 1909 bis 1912 absolvierte er in Karlsruhe eine Malerlehre. In dem Handwerksberuf war er bis zur Einberufung in den Kriegsdienst 1915 tätig. Bis 1918 kämpfte er als Soldat der badischen Feldartillerie an der Westfront.

Im Oktober 1919 nahm Martin an der Kunstakademie in Karlsruhe, die zum 1. Oktober 1920 mit der Kunstgewerbeschule zur Badischen Landeskunstschule fusionierte, ein Studium auf. Albert Haueisen, der 1919 als Nachfolger des 1917 verstorbenen Wilhelm Trübner an die Einrichtung berufen worden war, wurde sein wichtigster Lehrer. 1928 beendete er seine Ausbildung. Ab 1929 wird er in den Karlsruher Adressbüchern als Kunstmaler mit wechselnden Ateliers angeführt, zunächst im Hinterhaus der Amalienstraße 65, ab 1930 in der Bismarckstraße 49 und ab 1933 im stadteigenen Ateliergebäude in der Westendstraße (heute Reinhold-Frank-Straße) 65. Von 1927 bis 1933 war er Vorsitzender des Vereins für Originalradierung Karlsruhe.

Beim 1930 ausgeschriebenen Wettbewerb Selbstbildnisse badischer Künstler erhielt Martin gemeinsam mit Willi Müller-Hufschmid, Ernst Würtenberger und Wladimir von Zabotin den Badischen Staatspreis. Trotz dieses Erfolgs und zahlreicher Ausstellungsbeteiligungen inner- und außerhalb Badens seit Anfang der 1920er-Jahre lebte und arbeitete er unter schwierigsten Bedingungen, die sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 noch verschlechterten. Das im Auftrag der Gemeinde Weingarten mit dem Bildhauer Erwin Vetter erstellte Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs wurde kurz vor Fertigstellung von der dortigen NSDAP verworfen und Martin mit Ausstellungsverbot belegt. Um weiteren Repressalien durch die Nationalsozialisten zu entgehen, lebte er von Herbst 1933 bis Ende 1935 in Lissabon, das er seit 1923 regelmäßig zum Arbeiten aufsuchte.

Als Gegner des NS-Regimes wirkte er nach 1945 am kulturellen Wiederaufbau in Karlsruhe mit: Er war Mitglied im Entnazifizierungs-Ausschuss für bildende Kunst und setzte sich für die Reorganisation des Verbands badischer Künstler, des Karlsruher Vereins bildender Künstler und des Badischen Kunstvereins ein.

Bereits im Frühjahr 1946 präsentierte der Badische Kunstverein neben einer Otto-Laible-Kollektion auch ein größeres Konvolut seiner Arbeiten. 1963 fand am selben Ort eine retrospektive Werkschau Martins statt, die sich auf die drei klassischen Themen Porträt, Landschaft und Stillleben konzentrierte. An den Porträts und Selbstporträts, die das Gros seines Œuvres ausmachen, lässt sich besonders gut seine stilistische Entwicklung von einer nachimpressionistischen Darstellungsweise zu einer auf das Wesentliche reduzierten, monumentalen Form nachverfolgen. Die zweidimensionalen, von dunklen Konturen begrenzten Formen erinnern an die französische Avantgarde, die durch die jährlichen Paris-Besuche mit den Malerfreunden Erwin Vetter und Artur Graf ab 1954 verstärkt in sein Werk Eingang fand. 1954/55 schuf Martin für die neue Evangelische Kirche in Weingarten drei Chorfenster mit Christus und den vier Evangelisten. 1968, ein Jahr vor seinem Tod, wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Katja Förster 2020

Literatur

Wolfgang Martin (Hrsg.): Wilhelm Martin. Maler. 1894-1969, [Karlsruhe] 2011; Birgit Ziermann mit Ergänzungen von Robert A. Hill: In memoriam. Kunstmaler Wilhelm Martin. * 25.5.1895, † 12.11.1969, in: Weingartener Heimatblätter, Jg. 21, 2004, S. 25-27; Hans Dürr: Martin, Wilhelm, Maler, in: Badische Biographien, NF, Bd. II, hrsg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 1987, S. 201 f.; Roland J. Felleisen: Wilhelm Martin verbauten die Nazis eine größere Karriere. Ausstellung in Karlsruhe würdigte den Kunstmaler und Demokraten Wilhelm Martin, in: Weingartener Heimatblätter, Jg. 29, 2012, S. 24-26.