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Otto Ammon


Otto Ammon, Foto aus: Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe für das Jahr 1916, nach S. 320.

Otto Ammon

Ingenieur, Journalist und Privatgelehrter, Begründer der Sozialanthropologie in Deutschland, * 7. Dezember 1842 Karlsruhe, † 14. Januar 1916 Karlsruhe, ev., ∞ 1868 Antonie Wörishoffer aus Hanau, 2 Söhne, 2 Töchter.

Otto Ammon, Sohn des 1858 verstorbenen Kaufmanns Jacob Ammon und seiner 1847 verstorbenen Frau Emma, geborene Wöttlin, verließ das Gymnasium 1858 mit der Mittleren Reife und studierte danach bis 1863 Ingenieurwissenschaften am Polytechnikum Karlsruhe. Bis 1868 arbeitete er dann als Bahnbau- und Kulturingenieur im badischen Staatsdienst. Danach war er kurze Zeit Redakteur, dann Eigentümer der nationalliberalen Konstanzer Zeitung, die er ab 1869 selbständig verlegte. Nach der Rückkehr nach Karlsruhe 1883 wurde er Mitglied des Karlsruher Altertumsvereins und des Naturwissenschaftlichen Vereins, widmete sich der Erforschung der badischen Römerstraßen und verfasste geographische und geologische Arbeiten in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. Diese journalistische Tätigkeit behielt er bis zu seinem Tode bei. Am bekanntesten waren seine Beiträge im Schwäbischen Merkur in Stuttgart, dessen ständiger Karlsruher Korrespondent er von 1900 bis zu seinem Tode wurde. Dort nahm er unter anderem auch immer wieder zu Fragen des Eisenbahnwesens Stellung, so setzte er sich für eine Höherlegung des Karlsruher Bahnhofs an der Kriegsstraße statt der Verlegung an den heutigen Platz ein. Widerspruch erhielt Ammon, einer der rührigsten Karlsruher Journalisten, vor allem von der SPD-Parteizeitung Volksfreund und dem Zentrumsblatt Badischer Beobachter.

1888 veröffentlichte die Allgemeine Zeitung München erste anthropologische Beiträge in ihrer Beilage. Die 1890 erschienenen Anthropologischen Untersuchungen der Wehrpflichtigen in Baden, die als Startpunkt der Sozialanthropologie in Deutschland gelten, basieren auf seit 1886 durchgeführten anthropometrischen Erhebungen an Soldaten, später an Wehrpflichtigen. Ammon, der elf Fremdsprachen sprach, übersetzte 1890 die anthropologischen Arbeiten von Georges Vacher de Lapouge. Mit ausländischen Antropologen stand er in regem Kontakt. 1893 wurde er Korrespondierendes Mitglied der Societé pour le progrès des sciences naturelles et mathématiques Cherbourg, drei Jahre später Korrespondierendes Mitglied der Società italiana d'Antropologia und der schwedischen und niederländischen anthropologischen Gesellschaft. 1904 zeichnete ihn die medizinische Fakultät der Universität Freiburg mit der Ehrendoktorwürde aus.

1896 bis 1899 war der zum rechten Flügel der Nationalliberalen Partei gehörende Ammon mit Otto Reuß Eigentümer der Badischen Landeszeitung. Auch innerparteilich stieß Ammon, der in Karlsruhe Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender des völkischen Alldeutschen Verbandes war, mit manchen seiner Äußerungen auf Widerspruch. So löste er folgerichtig in seinen letzten Lebensjahren die Bindung an die Nationalliberale Partei. Die 1904 beginnende Freundschaft mit dem ebenfalls dem völkischen Spektrum zuzurechnenden Anthropologen und Arzt Ludwig Woltmann lassen Ammon als einen Vertreter des völkischen Spektrums erkennen.

Die nationalliberal geprägte Chronik der Stadt zeichnet 1916 in einem dennoch eher positiven Nachruf, vermutlich aus der Feder des Herausgebers Gymnasialprofessor Robert Goldschmit, der ebenfalls zum Gründungsvorstand des Alldeutschen Verbandes gehört hatte, das Bild eines Nationallisten, der „auch noch die stolze und ihn beglückende Genugtuung“ erfahren habe, „daß sich im August 1914 alle im nationalen Gedanken zusammenfanden und vor der nationalen Idee und ihrer Verteidigung eine Zeit lang der Parteihader verstummte.“

Ernst Otto Bräunche 2023

Quellen

Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe für das Jahr 1916, Jg. 32. Im Auftrag der städtischen Archivkommission bearbeitet, Karlsruhe 1918, S. 319-320, Band zum Download (PDF); Karlsruher Zeitungen, https://digital.blb-karlsruhe.de/topic/view/7756828; Ammon, Otto Georg, in: Leo BW, https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/118824457/Ammon+Otto+Georg, dort weitere Literatur (Zugriff jeweils am 24. Oktober 2023).

Werk

Zur Geschichte der liberalen Partei in Baden, Sonderabdruck von Artikeln in der Konstanzer Zeitung vom März und April 1880, Konstanz 1880; Der Darwinismus gegen die Sozialdemokratie. Anthropologische Plaudereien, Hamburg 1891; Die natürliche Auslese beim Menschen. Auf Grund der anthropologischen Untersuchungen der Wehrpflichtigen in Baden und anderer Materialien, Jena 1893; Die Bedeutung des Bauernstandes für den Staat und die Gesellschaft. Sozialanthropologische Studie, Berlin 1894 und 1906; Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen. Entwurf einer Sozial-Anthropologie zum Gebrauch für alle Gebildeten, die sich mit sozialen Fragen befassen, Jena 1895, 1896 und 1900; Die „Badische Landeszeitung“ und ihre Werkstätten, Karlsruhe 1896; Der Abänderungsspielraum. Ein Beitrag zur Theorie der natürlichen Auslese, Berlin 1896; Zur Anthropologie der Badener. Bericht über die von der anthropologischen Kommission des Karlsruher Altertumsvereins an Wehrpflichtigen und Mittelschülern vorgenommenen Untersuchungen, Jena 1899.

Literatur

Hilkea Lichtsinn: Otto Ammon und die Sozialanthropologie, Med. Diss. Marburg 1986; dieselbe: Ammon, Otto Georg, Sozialanthropologe, in: Badische Biographien NF 3, hrsg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 1990, S. 4-6, https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/118824457/Ammon+Otto+Georg; Ammon, Otto Georg https://www.leo-bw.de/fr/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/118824457/Ammon+Otto+Georg, dort weitere Literatur (Zugriff jeweils 24. Oktober 2023).