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Flugsportverein 1910 Karlsruhe e. V.


Anzeige zur 1. Badischen Luftfahrt-Ausstellung vom 31. Januar bis 8. Februar 1925, Sonderbeilage des Karlsruher Tagblatts vom 5. Februar 1925.
Blick auf den Flugplatz Karlsruhe-Forchheim, 1961, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A8/46/5/04.

Flugsportverein 1910 Karlsruhe e. V.

Der Flugsportverein 1910 Karlsruhe e. V. ist ein Karlsruher Verein im Bereich Flugsport und Modellbau. Er besteht aus den vier Abteilungen Segelflug, Motorflug, Ultraleicht- sowie Modellflug und gehört heute zur Luftsportgemeinschaft Rheinstetten, die das Segelfluggelände Rheinstetten betreibt. Der Verein wurde am 29. September 1910 als Badischer Luftschiffahrt-Verein Karlsruhe e. V. gegründet, aber bereits 1911 in Karlsruher Luftfahrtverein e. V. umbenannt. Weitere Namensänderungen erfolgten in den 1930er-Jahren.

Den Vorsitz des Vereins, der auch für das wachsende Interesse an der noch jungen Luftfahrt steht, übernahm der designierte Inhaber eines neuen Lehrstuhls für Fluss- und Luftschiffbau an der Technischen Hochschule Karlsruhe Johann Schütte, Stellvertreter wurde der Karlsruher Geologe und Sportpionier Wilhelm Paulcke, der nach Schüttes Absage des ihm angebotenen Lehrstuhls auch für wenige Monate Vorsitzender wurde. Als der Verein im folgenden Jahr am 28. Februar eine Sitzung abhielt, hatte er 76 Mitglieder. Schriftführer war der Physiker Hermann Sieveking, der 1914 auch kurz bis zu seinem überraschenden Tod den Vereinsvorsitz innehatte. An Stelle von Paulcke, der zum Ehrenvorsitzenden des Vereins ernannt wurde, übernahm der Fabrikant Paul Ruh bis 1914 den Vorsitz. Unter dem Protektorat von Prinz Max, der dem Verein auch beigetreten war, stieg die Zahl der Mitglieder noch im Jahr 1912 auf 100.

Ein maßgeblicher Grund zur Gründung des Vereins war der für den Mai 1911 geplante erste Zuverlässigkeitsflug am Oberrhein gewesen. Auch die beiden nächsten Zuverlässigkeitsflüge 1912 und 1913 organisierte der Verein maßgeblich mit. Er unternahm auch Ballonflüge, zunächst in angemieteten Ballons, dann seit Mitte 1913 in einem eigenen, für dessen Aufbewahrung die Stadt Räumlichkeiten zunächst auf dem Messplatz, dann im Schlachthof zur Verfügung stellte. Die Taufe dieses Ballons "Karlsruhe" fand am 20. Juli 1913 auf dem neuen Messplatz an der Durlacher Allee statt. Bereits im ersten Jahr nach der Anschaffung fanden 14 Flüge statt, einer davon nach Paris. Seine monatlichen Versammlungen hielt der Verein beim Badischen Automobilclub in der Herrenstraße 7 ab. Im Adressbuch der Stadt ist er nicht aufgeführt, firmierte aber unter der Kaiserstraße 209, dann der Bachstraße 28, wo Wilhelm Paulcke wohnte.

Landesweite Bekanntheit hatte der Verein bereits kurz nach seiner Gründung durch die 1910/11 auf den Karlsruher und Forchheimer Exerzierplätzen unternommenen Flugversuche des Flugpioniers Paul Senge erlangt. Am 2. Juli 1914 kam es wohl auf maßgebliche Initiative von Hermann Sieveking, der kurz zuvor mit Vorlesungen zur Luftfahrt und zur Flugtechnik an der Technischen Hochschule begonnen hatte, zur Gründung einer Akademischen Fluggruppe. Die Verwaltung übernahm der Luftfahrtverein, der auch einen erheblichen Teil der für die Gründung erforderlichen Geldmittel zur Verfügung gestellt hatte. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs stellte der Verein seine Tätigkeit aber weitgehend ein.

Erste Aktivitäten des Vereins sind erst wieder ab 1920 festzustellen, als der Verein im Rahmen der Badischen Woche Rundflüge mit einem Postflugzeug der Badischen Luftverkehrsgesellschaft anbot. Im folgenden Jahr wurde eine Modellfliegerabteilung eingerichtet. Die wesentlich vom Luftfahrtverein organisierte 1. Badische Luftfahrt-Ausstellung vom 31. Januar bis 8. Februar 1925 in der Ausstellungshalle signalisierte einen Neubeginn. Für den Luftfahrtverein betonte dessen Ehrenvorsitzender Paulcke, dass ein großes Volk wie die Deutschen im friedlichen Kampf um die Eroberung der Luft nicht ausgeschaltet werden könne, zumal Deutschland das natürliche Zentrum des europäischen Luftverkehrs sei.

Am 17. November 1926 veranstaltete der Verein die erste Ballonfahrt nach dem Krieg mit dem Freiballon Hentzen unter Führung des Karlsruhers Dr. Roland Eisenlohr. Im Frühjahr war es zu einem Zusammenschluss des Luftfahrtvereins mit dem Fliegerbund und dem Verein ehemaliger Luftschiffer in Form einer Arbeitsgemeinschaft gekommen, in deren Rahmen die Beteiligten aber weiterhin selbständig blieben. Im Januar 1931 schloss sich der Luftfahrtverein dann aber mit dem Fliegerbund (Ring der Flieger) zusammen und ging in dem Badisch-Pfälzischen Luftfahrtverein mit Sitz in Mannheim als Ortgruppe Karlsruhe mit den Abteilungen Motorflug, Freiballon und Segelflug auf. 1931 wurde die vereinseigene Motorflugschule auf dem Karlsruher Flugplatz eröffnet. Seit 1913 hatte sich der Verein auch für die Errichtung dieses Flugplatzes auf dem Karlsruher Exerzierplatz an der Erzbergerstraße eingesetzt. Dieser wurde 1924 eröffnet. Durch den Bau der ersten Flugzeughalle 1925 begann der erste kleine Flugverkehr in Karlsruhe.

Die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstörten den Flugplatz sowie die meisten seiner Gebäude. 1945 erfolgte die Beschlagnahmung des Geländes durch die Besatzungsmacht. 1950 benannte sich der Verein abermals um, diesmal in Flugsportverein Karlsruhe e. V., bevor er im November 1960 seinen heutigen Namen erhielt. Nach der Aufhebung des Segelflugverbots 1950 begannen der Verein und die Stadt Karlsruhe 1952 mit der gemeinsamen Suche nach einem neuen Segelfluggelände. Der ehemalige Truppenübungs- und Exerzierplatz auf Forchheimer Gemarkung bot hierfür gute Voraussetzungen. Nach eineinhalbjährigen Verhandlungen unter Federführung des Karlsruher Oberbürgermeisters Günther Klotz stimmte der Forchheimer Gemeinderat im März 1954 der Verpachtung des 26 Hektar großen Geländes an den Flugsportverein Karlsruhe zu. Von 1954-1957 wurde das Areal zunächst als Segelfluggelände genutzt, nach umfangreichen An- und Umbaumaßnahmen von 1957-2000 als Verkehrslandeplatz.

Die Entscheidung des Karlsruher Gemeinderats vom Oktober 1992, den Neubau eines Regionalflughafens bei Söllingen (Baden-Airpark) einem Ausbau des Flugplatzes Forchheim vorzuziehen, brachte dem Flugsportverein eine Zeit der Ungewissheit über die Zukunft des Flugsports in Karlsruhe. Nachdem das Karlsruher Landgericht 1999 die Klage des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbands zur Weiternutzung des Fluggeländes für den Verein gemäß Erbbauvertrag abgewiesen hatte, drohte in der Region Rheinstetten-Karlsruhe-Ettlingen das Ende des Flugsports. Allerdings schlug der Flugsportverein 2000 ein neues Gelände, das Gebiet im Bereich der ehemaligen Landesanstalt für Schweinezucht, für den weiteren Flugbetrieb vor. Der Gemeinderat der Stadt Rheinstetten stimmte der Nutzung des Areals als Fluggelände 2001 zu, sodass der Flugsportverein nach diversen Baumaßnahmen im Februar 2004 die Betriebsgenehmigung für das neue Segelfluggelände Rheinstetten, das seit Juli 2004 auch für den Motorflugbetrieb freigegeben ist, erhielt.

René Gilbert 2014/Ernst Otto Bräunche 2023

Quellen

StadtAK 1/H-Reg 2343, 2353-2354, 4735-4736, 8227, 9757, 9881; Karlsruher Zeitungen 1910-1914, https://digital.blb-karlsruhe.de/zeitungen/topic/view/2965491 (Zugriff am 2. November 2021); Badische Presse vom 1. Februar 1925 https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/newspaper/item/PTYPNQBQTLCBOA4X4NQXB6Q2JBACJJ3L?zdb_id=2797055-3&query=Luftfahrtverein&hit=12&issuepage=13 und vom 10. März 1931 https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/newspaper/item/6W4P2LYYKMD6VFBQYUO4KFPBCZ2S3AEY?zdb_id=2797055-3&query=Luftfahrtverein&hit=1&issuepage=8 (Zugriff am 19. Oktober 2023); Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe, 27. Jg. 1911. Im Auftrag der städtischen Archivkommission bearbeitet, Karlsruhe 1912, S. 226 f., Band zum Download (PDF) (Zugriff am 14. September 2022); Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe, 29. Jg. 1913. Im Auftrag der städtischen Archivkommission bearbeitet, Karlsruhe 1914, S. 199 f., Band zum Download (PDF) (Zugriff am 14. September 2022); Flugsportverein 1910 Karlsruhe e. V. (Hrsg.): Flugsportverein 1910 Karlsruhe - der Flugsportverein von 1909 bis heute, Rheinstetten 2010, https://www.fsv-karlsruhe.de/wp-content/uploads/2019/01/FSV_Festschrift.pdf (Zugriff am 16. November 2021).


Literatur

Flugsportverein 1910 Karlsruhe e. V. (Hrsg.): Flugsportverein 1910 Karlsruhe - der Flugsportverein von 1909 bis heute, Rheinstetten 2010; Amalie Heck: 200 Jahre Karlsruher Flug- und Luftfahrtgeschichte, Karlsruhe 1998; Manfred Koch: Vom Exerzierfeld zur Landepiste. Die Flugplätze Karlsruhe und Forchheim, in: Von Graspisten zum Baden-Airport. Luftfahrt in Mittelbaden, hrsg. von Manfred Koch und Jürgen Morlock, Karlsruhe 1999, S. 63-124.