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Pyramide

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Einzig vorhandene Bauzeichnung der Pyramide Friedrich Weinbrenners mit Ansicht, Aufriss und Querschnitt, Beilage zur Abrechnung mit Maurermeister Holb, 1825, Generallandesarchiv G Karlsruhe 659.
Blick auf die Pyramide, das Café "Englischer Hof" und die Kaiserstraße 78 mit Juwelier Heinrich. Der Marktplatz mit Pyramide stellt sich fast noch dar wie zur Weinbrenner Zeit. Auf die Sandsteinpfosten wurden mit Einführung der Gasbeleuchtung Kandelaber aufgesetzt, die mit der Elektrifizierung wieder verschwanden, Foto um 1885, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVe 139.
Die Pyramide wurde mit dem zunehmenden Verkehr zu einer Verkehrsinsel. 1913 führte die Straßenbahn östlich vorbei, 1926 auch westlich; Foto um 1938, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIIIb 206.
Der Stadtgrundriss von Weinbrenner 1823 auf einer Kalksteintafel, die sich in der Pyramidenkammer hinter dem Eingang mit der Bronze-Tafel und über der Gruft befindet, Foto: Müller-Gmelin 2018, Stadtarchiv Karlsruhe XIVb 240 DO.

Pyramide

Die Pyramide auf dem Marktplatz entstand 1823 bis 1825 nach Plänen von Friedrich Weinbrenner über der Gruft des Stadtgründers Markgraf Karl Wilhelm (1679 – 1738). Sie steht in einer Reihe anderer Pyramiden-Grabmäler in Deutschland, die in der Zeit des Klassizismus um 1800 errichtet wurden. Dabei ist sie die einzige zeitgenössische auf einem öffentlichen Platz mitten in der Stadt errichtete Grabpyramide nördlich der Alpen. Die napoleonische Expedition nach Ägypten zwischen 1798 und 1801 hatte das Interesse an der ägyptischen Antike befördert und in Karlsruhe zu weiteren ägyptisierenden Bauwerken beigetragen (Obelisk des Großherzog-Karl-Denkmals 1822, Vorderseite der alten Synagoge 1798, zwei Sphingen 1801, heute im Botanischen Garten).

Anfangs war die Pyramide eine Verlegenheitslösung. Für die Stadterweiterung und die Anlage des neuen vergrößerten klassizistischen Marktplatzes wurde 1807 die Konkordienkirche abgerissen, unter der in einer Gruft Karl Wilhelm bestattet lag. Weinbrenners Planung von 1803 hatte über ihr eine Kolossalstatue als Markgraf-Karl-Wilhelm-Monument vorgesehen, gestaltet mit der mystischen Stadtgöttin Rhea aus der griechischen Antike. Bis zur Aufstellung sollte eine hölzerne Pyramide die Gruft schützen. Hohe Kosten und Großherzog Karl Friedrichs Vorstellung, die Gebeine des Stadtgründers in einem marmornen Sarkophag in die Evangelische Stadtkirche umzubetten, verzögerten das Denkmalprojekt. Die Nachfolger entschieden zunächst nichts, wegen Baufälligkeit musste das hölzerne Provisorium 1818 erneuert werden. Großherzog Ludwig beauftragte Weinbrenner schließlich 1822 zusammen mit dem Großherzog-Karl- und seinem eigenen Großherzog-Ludwig-Denkmal mit der Errichtung einer steinernen Pyramide. Am 24. Februar 1825 meldete Weinbrenner die Vollendung der Pyramide aus rotem Sandstein. Ausgeführt hatte sie der Karlsruher Maurermeister Christoph Holb.

Die quadratische Pyramide misst jeweils 6,05 Meter in den Basiskanten und ist 6,81 Meter hoch. Sie steht auf einer quadratischen sandsteinernen Bodenplatte mit etwa 11,10 Meter Seitenlängen, an deren Rändern 16 durch Eisenketten verbundene Sandsteinpfosten stehen. Im Inneren besteht sie aus drei Kammern: unterirdisch die seit 1738 ungeöffnete Gruft mit dem Sarg Karl Wilhelms, darüber ein etwas unterhalb des Marktplatzniveaus gelegener Raum, dessen Zugang durch die von dem Gürtlermeister Heinrich Raupp geschaffene quadratische Bronzetafel an der Nordseite verschlossen ist. Darin steht ein Sandsteinsockel, auf dem eine aus der Werkstatt von Tobias Günther stammende etwa 75 x 100 Zentimeter große Kalksteintafel mit dem "Grundplan der Residenz Stadt Carlsruhe" von Weinbrenner liegt. Darüber befindet sich mit ihm verbunden ein kleinerer Hohlraum in der Pyramidenspitze mit kreuzförmigen Belüftungsschlitzen.

Auf der Bronzetafel wird in der Widmung an Karl Wilhelm der Stadtgründungsmythos aufgerufen: HIER / WO MARKGRAF CARL EINST / IM SCHATTEN DES HARTWALDES / RUHE SUCHTE / UND DIE STADT SICH ERBAUTE / DIE SEINEN NAHMEN BEWAHRT / AUF DER STAETTE / WO ER DIE LETZTE RUHE FAND / WEIHT IHM DIES DENKMAHL / DAS SEINE ASCHE VERSCHLIEST / IN DANKBARER ERINNERUNG / LUDWIG WILHELM AUGUST / GROSHERZOG / 1823. Darüber wird in goldenen Lettern an die Grundsteinlegung zum Schlossturm erinnert, die auch als Gründungsdatum der Stadt gilt: MARKGRAF CARL WILHELM / LEGTE DEN ERSTEN GRUNDSTEIN ZU SEINEM / NEUEN WOHNSITZ UND DIESER STADT / AM 17. JUNY 1715.

Auf der Südseite steht ebenfalls in goldenen Lettern: MARKGRAF CARL WILHELM / GEB. ZU DURLACH AM 18. JAN. 1679 / STARB AM 18. MAY 1738 UND / WURDE AN DER STELLE DIESES DENKMAHLS / IN DER KIRCHE DER EINTRACHT BEGRABEN.

Die Inschriften wurden 1886, 1965 und 2018 erneuert, die Einfriedung seit 1905 mehrmals repariert oder erneuert, zuletzt 2018, nachdem die Pyramide fünf Jahre wegen der U-Strab-Arbeiten eingeschalt war.

Die Pyramide ist heute das Wahrzeichen von Karlsruhe. Dabei hatte es in den 1880er Jahren Planungen gegeben, an ihrer Stelle ein monumentales Skulptur-Denkmal von Markgraf Karl Wilhelm zu setzen. Mit dem Tod Kaiser Wilhelms I. 1888 konkretisierten sich aber zunächst Pläne für ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal an dieser Stelle. Es wurde dann doch andernorts, auf dem Kaiserplatz beim Mühlburger Tor ausgeführt. Und schließlich wollte Großherzog Friedrich I. zu seinem 50-jährigen Regierungsjubiläum 1902 ein kolossales Reiterdenkmal im Andenken an den Markgrafen Karl Wilhelm errichten und dafür die Pyramide an eine andere Stelle versetzen, "um sie als altes Wahrzeichen der Stadt nachfolgenden Geschlechtern zu erhalten". Ab 1904 folgten dann Planungen des Karlsruher Bildhauers Fridolin Dietsche, das Reiterstandbild mit der Pyramide zu kombinieren, zuletzt dieses Reiterdenkmal anstelle des Großherzog-Ludwig-Denkmals zu setzen, die Pyramide also nicht mehr einzubeziehen. Modellverluste und der Tod des Künstlers 1908 setzten den Plänen ein Ende.

Die im Inneren unzugängliche Pyramide hatte im 19. Jahrhundert zu Phantasien angeregt. Eine unbenannte aquarellierte Zeichnung, vermutlich um 1880, stellt ihr Inneres als einen einzigen ebenerdigen, kapellenartigen Raum dar. Über kleine Fenster fallen gleißende Lichtstrahlen auf den monumentalen Sarkophag des Stadtgründers. Diese dem Plan von Weinbrenner und allen äußerlichen Fakten widersprechende Darstellung wird dessen ungeachtet hin und wieder weiter verbreitet.

Wie andere kryptisch anmutende Bauwerke regte die Pyramide auch zu Legenden an. Über 100 Jahre wurde die Erzählung kolportiert, dass bei der ersten belegten Begehung anlässlich der Planung des erwähnten Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1889 ein beteiligter Hofrat seinen Regenschirm vergessen habe. Erst bei der zweiten Begehung 1998, die der Dokumentation des Inneren zur Erstellung eines genauen Modells für das Stadtmuseum diente, wurde diese Geschichte widerlegt: ein Schirm befand sich nicht in der kleinen gewölbten Pyramidenkammer. Bei dieser Begehung wurde von der Denkmalpflege eine Bohrung in die darunter liegende ungeöffnete Gruft für (nichtöffentliche) Videofilmaufnahmen vorgenommen. Außerdem wurde die Kalksteintafel mit dem Stadtplan zur Restaurierung und zur Anfertigung einer Kopie für das Stadtmuseum entnommen. 2013 fand eine weitere Begehung zur Vermessung und Dokumentation des Zustandes im Inneren vor Beginn der unterirdischen Bauarbeiten für die U-Strab statt. 2018 wurde die restaurierte Kalksteintafel in die Kammer zurückgebracht und in diesem Jahr eine umfangreiche äußere Renovierung des Bauwerks abgeschlossen.

Die Pyramide ist als Kulturdenkmal besonderer Bedeutung denkmalgeschützt.

Jürgen Schuhladen-Krämer 2022

Literatur

Manfred Großkinsky: Pyramide, in: Gerlinde Brandenburger/Manfred Großkinsky/Gerhard Kabierske/Ursula Merkel/Beatrice Vierneisel: Denkmäler, Brunnen und Freiplastiken in Karlsruhe 1715–1945, 2. Aufl. Karlsruhe 1989, S. 201-206 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 7), Teil 1 (PDF) und Teil 2 (PDF) zum Download; Heinz Schmitt: Ein Blick in das verborgene Herz der Stadt, in: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge 1998-2003, Karlsruhe 2004, S. 44-47; Friedrich Weinbrenner 1766-1826. Architektur und Städtebau des Klassizismus, Karlsruhe 2015 (Ausstellungskatalog), S. 233 f.; Andreas Vorbach: Die Pyramide. Das Grab auf dem Marktplatz in Karlsruhe, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 32. Jg. 2003, Heft 3, S. 211-217, https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdpfbw/article/view/12380 (Zugriff jeweils am 25. Juli 2022).