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Kriegsgefangene


Ansichtskarte vom Offizierskriegsgefangenenlager an der Ettlinger Straße im Ersten Weltkrieg, Absender der Franzose Marcel Cardif, Stadtarchiv Karlsruhe 11/Dig 33/59a.

Kriegsgefangene

Die Haager Landkriegsordnung von 1907 versuchte die Kriegsführung zivilisatorischen Regeln zu unterwerfen. Sie enthielt auch Bestimmungen zum Umgang mit Kriegsgefangenen, die "mit Menschlichkeit behandelt werden [sollen]" (Art. 4) und "in Beziehung auf Nahrung, Unterkunft und Kleidung auf demselben Fuße zu behandeln [sind] wie die Truppen der Regierung, die sie gefangen genommen hat" (Art. 7). Die Genfer Kriegsgefangenen-Konvention von 1929 präzisierte Bestimmungen zum humanen Umgang mit Gefangenen einschließlich des Verbots, sie zu "unzuträglichen und gefährlichen Arbeiten zu verwenden" (Art. 32). Das Deutsche Reich verstieß im Zweiten Weltkrieg gegen diese Konvention unter Verletzung des Artikels 82, der die Anwendung auch unter Nichtvertragsparteien strikt vorschrieb, indem es bewusst polnische und sowjetische Kriegsgefangene davon ausnahm. Eine Auflistung und Übersicht der in Karlsruhe 1914-1918 und 1939-1945 eingesetzten Kriegsgefangenen fehlt. Im Zweiten Weltkrieg wurden Kriegsgefangenenkommandos aus dem zuständigen Stammlager (Stalag) des jeweiligen Wehrkreises zugewiesen, für Karlsruhe war dies das Stalag V C in Offenburg (seit 1942).

Vor 1918 befand sich mit dem Sitz des XIV. Armeekorps auch die Inspektion der Kriegsgefangenenlager für diesen Bezirk in Karlsruhe. Kaum mehr als drei Wochen nach Kriegsbeginn 1914 befanden sich in Karlsruhe fast 200 verwundete kriegsgefangene Franzosen in den Lazaretten, vor allem im Doppellazarett Gewerbeschule beim Lidellplatz. Arbeitsfähige kriegsgefangene Nichtlazarettinsassen wurden mit dem Arbeitskräftemangel verstärkt zu verschiedenen Arbeiten in der Landwirtschaft, in der Produktion sowie für städtische Arbeiten zum Beispiel bei der Lebensmittelverteilung oder für Meliorationsarbeiten eingesetzt.

Ehemals deutsche Kriegsgefangene kamen in Karlsruhe in großer Zahl über die Schweiz aus Konstanz im März 1915 an. Das geschah im Rahmen des durch von Prinz Max von Baden initiierten und ausgehandelten ersten Verwundetenaustausch. Rund 400 verwundete ausgetauschte deutsche Soldaten waren im behelfsweise eingerichteten Reservelazarett Festhalle für zwei Wochen untergebracht, ebenfalls nochmals etwa 575 im Sommer 1915 nach einem zweiten Austausch.

Das größte und zudem ein besonderes Kriegsgefangenenlager war das 1916 nach dem tragischen Luftangriff mit vielen Toten unter den Besuchern des Zirkus Hagenbeck vom 22. Juni eigens an der Ettlinger Straße/Beiertheimer Allee eingerichtete Offizierskriegsgefangenenlager zur Abschreckung weiterer Luftangriffe.

Im Zweiten Weltkrieg kamen die ersten kriegsgefangenen polnischen Soldaten im Herbst 1939 in der Stadt an und wurden vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt, organisiert in meist kleineren Arbeitskommandos von 10 bis 30 Mann, untergebracht in eiligst gesicherten Unterkünften unter anderem in Turnhallen (Grünwettersbach), Gaststättensälen (zum Beispiel Schwanen Grötzingen, Löwen Beiertheim oder Kühler Krug), Hallen (Festhalle Daxlanden) und Reichsarbeitsdienstlagern (Neureut). Mit Scheitern der Blitzkriegsstrategie wurde das System vor allem mit zivilen Zwangsarbeitskräften ausgebaut. Zugleich waren allein in den zehn bedeutendsten Karlsruher Rüstungsfabriken von 1942 bis 1944 neben den 3.000-6.000 zivilen Zwangsarbeitskräften etwa 380-1.000 Kriegsgefangene eingesetzt. Daneben wurden sie vor allem zur Trümmerbeseitigung nach Luftangriffen verwendet.

Deutsche Kriegsgefangene sah die Karlsruher Bevölkerung gleich nach der Befreiung durch die französische Armee 1945, indem die gefangenen deutschen Soldaten Trümmer und Hindernisse in der Kaiserstraße zum schnelleren Durchzug des französischen Militärs beseitigen mussten. In den Folgejahren war die Wiedereingliederung und Versorgung einer hohen Zahl rückkehrender deutscher Kriegsgefangener eine große Aufgabe. Die letzten Kriegsgefangenen kehrten 1955/56 aus der Sowjetunion zurück. Die Stadt richtete 1956 für die 35 seit Oktober 1955 nach Karlsruhe zurück gekehrten Kriegsgefangenen einen großen Empfang aus. Drei dieser 35 engagierten sich später nachweislich in der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS. Das Ausgleichsamt bearbeitete über 12.000 Anträge von Karlsruher Alt- und Neubürgern nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz.

Jürgen Schuhladen-Krämer 2018

Quelle

StadtAK 1/AGA-KGFEG.

Literatur

Ernst Otto Bräunche: Der Krieg daheim. Zur Einführung, in: Ernst Otto Bräunche/Volker Steck (Hrsg.): Der Krieg daheim. Karlsruhe 1914-1918, Karlsruhe 2014, S. 10-40 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 33); Jürgen Schuhladen-Krämer: Karlsruhe - Lazarettstadt, in: Ebenda, S. 63-100; Jürgen Schuhladen-Krämer: Zwangsarbeit in Karlsruhe 1939-1945. Ein unbekanntes Kapitel Stadtgeschichte, Karlsruhe 1997 (= Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte Bd. 3).