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Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM)


Die Deutsche Metallpatronenfabrik (spätere DWM) in Grötzingen, Stadtarchiv Karlsruhe, Bildarchiv Grötzingen.
Die Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM) 1912, noch ohne den 1918 fertiggestellten Hallenbau A, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVf 225.

Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM)

Die Anfänge des vor 1945 größten Industriebetriebs in Karlsruhe reichen bis 1872 zurück. In diesem Jahr gründeten die Brüder und ehemaligen Offiziere Leopold und Wilhelm Holtz zusammen mit ihrem gemeinsamen Schwager Kaufmann Henry Ehrmann in Karlsruhe die Patronenhülsenfabrik Henri Ehrmann & Cie als offene Handelsgesellschaft. Das Fabrikgelände lag außerhalb der Stadt auf einem bewaldeten Gelände an der Ecke der späteren Garten-/Lessingstraße. Dort sollte unter der späteren Adresse Gartenstraße 71 die Zentrale der DWM sein. Nach dem Tod von Leopold Holtz und Ehrmann erwarb der als genial geltende Ingenieur und Prokurist der Firma Wilhelm Lorenz (1842-1926) das Unternehmen von Wilhelm Holtz im Jahr 1878 für 220.000 Mark. Es firmierte nun als Deutsche Metallpatronenfabrik Lorenz und erweiterte die Produktion von Geschützhülsen für Schnellfeuergewehre und schwere Geschütze sowie Maschinen zur Munitionsherstellung. Mit der Mauser-Gewehrfabrik in Oberndorf sowie den Krupp-Werken in Essen bestanden intensive Kooperationen. Die Maschinenbauabteilung wurde 1883 als Maschinenfabrik Lorenz Karlsruhe-Baden verselbständigt und 1890 als Maschinenfabrik Lorenz in Ettlingen angesiedelt, hauptsächlich zur Produktion von Zahnradfräsmaschinen. Die Massenfertigung von Infanteriemunition war 1883 angelaufen.

Lorenz veräußerte 1889 seine Karlsruher Fabrik, in der inzwischen über 400 Arbeiter beschäftigt waren, für 5 Millionen Mark an die Berliner Firma Ludwig Loewe & Co, der Firmenname wandelte sich in Deutsche Metallpatronenfabrik AG mit den weiteren Hauptanteilseignern Pulverfabrik Rottweil-Hamburg und Vereinigte Rheinisch-Westfälische Pulverfabriken. Dieses Jahr gilt für die spätere DWM als der offizielle Firmenbeginn. 1890 wurde in Grötzingen ein Zweigwerk mit Labor, Pulvermagazinen, Schießstand und Magazinen für die fertigen Geschosshülsen im Gewann Speitel errichtet. Während im Karlsruher Werk die Patronenhülsen gefertigt wurden, wurden in Grötzingen die Zündhütchen hergestellt und die Patronen gefüllt.

Obgleich das Unternehmen großen Nutzen aus der militärischen Aufrüstung des Kaiserreichs zog, diversifizierte es ab 1893 auch in den zivilen Bereich durch einen Verpackungsproduktionsbereich unter anderem von Maschinen für Tubenbefüllung. Vor dem Ersten Weltkrieg war das Unternehmen mit Münzprägemaschinen auf dem Weltmarkt vertreten. 1896 änderte eine Generalversammlung mit dem Ausscheiden der Ludwig-Loewe AG und der Angliederung der Berliner Waffenfabrik den Namen zur Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken AG. Der Verwaltungssitz wurde Berlin, Karlsruhe wurde zur Zweigniederlassung. Das Unternehmen erwarb komplett oder anteilsweise andere Unternehmen der Waffen- und Munitionsbranche, unter anderem die Mauserwerke in Oberndorf. Kooperationen, Firmenkäufe und -gründungen, unter anderem in England, Italien und sogar Frankreich waren kein Hinderungsgrund für sehr große nationale Rüstungsaufträge für das Kaiserreich.

Die DWM mit ihren verschiedenen Standorten war im Ersten Weltkrieg mit Millionen Pistolen und Gewehren sowie Milliarden von Geschossen einer der wichtigsten Rüstungsbetriebe des Reiches. Im März 1915 hatte sie mit dem Deutschen Reich den so genannten Milliardenvertrag geschlossen, der dem Unternehmen die Heeresabnahme von 1,8 Milliarden Patronenhülsen (bis 1918 wurden es 4 Milliarden) und 1,2 Milliarden Geschossen garantierte. Zur Realisierung dieser Ausweitung begann zeitgleich die Erstellung des Hallenbau A (heute Städtische Galerie, Hochschule für Gestaltung, ZKM und Museum für Neue Kunst) und des für den Ausbau der Brauerstraße abgerissenen Wohlfahrtgebäudes. Die Fertigstellung des Hallenbau A, mit 312 Metern Länge bis heute das größte Gebäude in Karlsruhe, fiel mit dem Kriegsende zusammen. Während des Krieges waren bis zu 9.000 Arbeitskräfte im Betrieb beschäftigt (1917). Der durch die serielle Produktion bereits vor 1914 bis zu 45-prozentige Frauenanteil wurde dabei nochmals gesteigert.

Mit Kriegsende stand das Unternehmen seit Dezember 1918 zunächst still, der kolossale Hallenbau A sowie das Wohlfahrtsgebäude, beides von dem für seine bedeutenden Industriebauten bekannten Architekt Philipp Jakob Manz (1861-1936) geplant, standen zur Disposition. Das Wohlfahrtsgebäude wurde an die Firma Wilhelm Blicker GmbH & Co KG vermietet. Die durch den Versailler Vertrag auferlegte militärische Beschränkung brachte das Karlsruher Werk in die Krise. Die Friedensproduktion mit Behältern aller Art, Metallschläuchen, Verpackungsmaschinen, Nähmaschinen (1922-1928), Fahrradteilen, Webstühlen, Druckknöpfen (1921-1924), die Patronenproduktion für Jagd- und Sportwaffen seit 1920 neben inoffiziellen kleineren Munitionsaufträgen für die Reichswehr erbrachte nur noch einen Bruchteil der früheren Renditen. 1922 wurde der Firmenname geändert in das zivil klingendere Berlin-Karlsruher-Industriewerke AG. 1931 wurde von den drei Werken Berlin, Oberndorf, Karlsruhe, der erstere stillgelegt. Damit wurde Karlsruhe wieder Unternehmenssitz – vorläufig, ehe dieser 1935 erneut nach Berlin in ein neues Werk verlegt wurde. Nach einer vollständigen Unternehmensreorganisation war der Industrielle Günther Quandt (1881-1954) seit 1928 Aufsichtsratsvorsitzender. Die Familie Quandt hielt Anteile und bestimmte das Unternehmensgeschick über die nächsten Jahrzehnte entscheidend mit.

Der Nationalsozialismus brachte für die Kapitaleigner die Wendung mit erneuter Aufnahme der Rüstungsproduktion. 1936 wurde damit auch wieder der alte Firmenname Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG geführt. Vor Kriegsbeginn zählte das NS-Organ Der Führer die DWM insgesamt zu den drei wichtigsten deutschen Rüstungswerken. Aufgrund der Grenzlandlage erfolgte die Werksauslastung in Karlsruhe durch Rüstungsaufträge aber erst nach dem Sieg über Frankreich ab 1941 in größerem Maß. Unter den bis über 7.000 Arbeitskräften waren rund 40 % Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen sowie Kriegsgefangene, insbesondere aus Polen und der Sowjetunion. Mit dem Kriegsende 1945 stand die Firma auf ihrem rund 14 Hektar großen Areal zwischen Brauerstraße, Südendstraße, Lorenzstraße und Gartenstraße (1939-1945: Günther-Quandt-Straße) erneut vor dem Aus und behauptete ihre Existenz zunächst mit der Produktion von Kochtöpfen, Besteck und Fahrrädern, ehe 1947 wieder größere Aufträge erfüllt werden konnten.

Die Hauptversammlung beschloss 1949 den Firmensitz wieder nach Karlsruhe zu verlegen und den Namen abermals zu zivilisieren in Industriewerke Karlsruhe AG (IWK).

Jürgen Schuhladen-Krämer 2016

Quellen

StadtAK 8/StS 24/384; 8/ZGS 78.4; Friedrich Haßler/Adolf Bihl (Bearb.): 50 Jahre Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken Aktiengesellschaft, Berlin 1939.

Literatur

Manfred Koch: Rüstungsproduktion zwischen Krieg und Frieden. Die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Karlsruhe, in: Jenseits der Brauerstraße. Der Hallenbau A krönt eine neue Stadtlandschaft, Hrsg. Stadt Karlsruhe, Koordinierungsstelle Stadtsanierung, Karlsruhe 1997, S. 24-41.