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Deutschnationaler Handlungsgehilfenverband (DHV)


Deutschnationaler Handlungsgehilfenverband (DHV)

Zu den größten antisemitischen und völkisch-nationalistischen Verbänden des Kaiserreichs gehörte der am 2. September 1893 in Hamburg von Anhängern des Hofpredigers und Antisemiten Adolf Stoecker gegründete Deutschnationale Handlungsgehilfenverband. Entstanden war der DHV als Interessenvertretung der Handlungsgehilfenin in Gegnerschaft und Konkurrenz zur erstarkenden Sozialdemokratie und vor allem auch zu dem den Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaften angehörenden Verband deutscher Handlungsgehilfen sowie dem Zentralverband der Handlungsgehilfen und -hilfinnen (Freie Gewerkschaften). Der Gau Baden-Pfalz war 1898 in Mannheim u. a. von der im Vorjahr entstandenen Ortsgruppe Karlsruhe gegründet worden, die mit Mannheim zu den fünf ältesten lokalen DHV-Organisationen im Südwesten gehörte. Der zweite Gautag fand deshalb auch am 5. Februar 1899 in Karlsruhe statt.

Zwei Jahre später hatte der DHV reichsweit über 42.000 Mitglieder. Die Ortsgruppe Karlsruhe traf sich in der Eintracht, Vertrauensmann war Ernst Schönfeld, die Geschäftsstelle befand sich bei dem Kaufmann Josef Dahringer in der Karl-Friedrich-Straße 19. Erstmals war die Ortsgruppe auch im Adressbuch des Jahres 1901 aufgeführt. 1900 trat die Ortsgruppe auch dem ebenfalls antisemitischen Alldeutschen Verband bei. Häufig bot der Verband neben Vorträgen mit berufsspezifischen Themen auch andere Vorträge an wie zum Beispiel am 9. Dezember 1903, als der Kaufmann Willy Maasdorf aus Rüppurr über "Wie wird der Deutsche deutsch?" im Saal der Eintracht sprach. Angesichts des anhaltenden Anwachsens der Mitgliederzahlen im Gau Südwest erhielt dieser zum 1. Januar 1901 einen hauptamtlichen Geschäftsführer.

Am 27. Mai 1913 gehörte der DHV zu den dem rechten Spektrum angehörenden Veranstaltern einer Erinnerungsfeier zum 100-jährigen Jubiläum der Vielvölkerschlacht bei Leipzig. Seine Anziehungskraft für seine Mitglieder gründete sich aus solchen Veranstaltungen, mehr noch aber aus etlichen Versicherungs- und Unterstützungsangeboten, so genannten Wohlfahrtsangeboten. Außerdem bot er in der Weimarer Republik noch einmal verstärkt gesellschaftliche Unterhaltungsabende an und organisierte Ausflugsreisen. 1931/32 waren es allein 15 Vortragsabende und Versammlungen. Darüber hinaus wurden zehn Gesellige Veranstaltungen und Feiern, darunter am 26. Januar 1932 eine Reichgründungsfeier, Lehrgänge und Übungen für Kaufleute, Kurzschrift und Maschinenschreiben sowie Fremdsprachen angeboten.

Viele der Mitglieder wurden nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges zum Kriegsdienst eingezogen, 1916 waren es mehr als 500 Mitglieder, von denen 35 gefallen waren. Im Verband engagierte sich auch der umtriebige und in vielen völkischen Gruppierungen aktive Studienrat an der Kadettenschule Ernst Boesser, der 1916 die Ehrenmitgliedschaft erhielt.

In der Weimarer Republik wuchs der DHV als Teil des von ihm mitbegründeten Christlichen Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) noch einmal an. Zahlen für Karlsruhe liegen aber nicht vor. Dass der DHV ein finanziell gut aufgestellter Verband war, belegt der Bau eines neuen Ortsgruppenheims in der Karlstraße 4 zur Förderung der Jugend und der Bildung, unter anderem mit Lesezimmer und Vortrags- und Veranstaltungsraum, das am 19. April 1929 eingeweiht wurde. An der Eröffnungsfeier nahmen zwar Vertreter der Stadt und des Landes teil, allerdings nicht aus der ersten Reihe, was eher deren Distanz zu dem offen rechten Parteien zuneigenden DHV belegt. Für die Stadt nahm zum Beispiel nur der Stadtrat der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) von der Heydt teil.

Der Vorsitzende des Gaus Südwest, der Landtagsabgeordnete Eduard Menth, gehörte zwar der Deutschen Volkspartei (DVP) an, dort aber eher dem rechten Flügel. 1933 wechselte er noch im April zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Auch der DHV wurde rasch nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) integriert. Im Oktober 1933 war er einer von neun Angestellten-Spitzenverbänden in der DAF, wurde aber wenig später am 20. Februar 1934 im Zuge der Umorganisation der DAF aufgelöst.

Ernst Otto Bräunche 2024

Quellen

StadtAK 8/StS 27/17 25 Jahre Gau Südwest im D.H.V., Karlsruhe 1923; 8/StS 27/16 Lehrgänge und Veranstaltungen der Ortsgruppe Karlsruhe für das Winterhalbjahr 1931/32; Karlsruher Zeitungen, https://digital.blb-karlsruhe.de/zeitungen/topic/view/2965491 (Zugriff am 16. Januar 2024).