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De:Lexikon:bio-0262: Unterschied zwischen den Versionen

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=Otto Gillen=
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[[Datei:Gillen Otto A28 101 3 29.jpg|alternativtext=Otto Gillen, 1974, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A28/101/3/29.|links|mini|Otto Gillen, 1974, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A28/101/3/29.]]

Kunsthistoriker, Journalist, Schriftsteller, * 26. Oktober 1899 Greiz, † 27. Februar 1986 Karlsruhe, kath., ∞ 1. ca. 1925 (o|o ca. 1927), 2. 1932 Gertrud Krause (o|o 1934), 3. 9. März 1946 Elisabeth May, 1 Tochter aus erster, 2 Söhne aus den anderen Ehen.<br/ ><br/ >
Kunsthistoriker, Journalist, Schriftsteller, * 26. Oktober 1899 Greiz, † 27. Februar 1986 Karlsruhe, kath., ∞ 1. ca. 1925 (o|o ca. 1927), 2. 1932 Gertrud Krause (o|o 1934), 3. 9. März 1946 Elisabeth May, 1 Tochter aus erster, 2 Söhne aus den anderen Ehen.<br/ ><br/ >
Nach mehreren Wohnortwechseln der Familie des Buchdruckers und Redakteurs Peter Gillen schloss Otto Gillen in Bad Godesberg die Volksschule ab. Nur dank eines Stipendiums der katholischen Kirche konnte er im besetzten Belgien 1914 in einem Internat eine weiterführende Schulbildung beginnen, die ihm sein Vater verwehrt hatte. 1917 erfolgte die Einberufung zum <lex id="ereig-0068">Militärdienst</lex> und im Sommer 1918 kam er in Nordfrankreich und Flandern an der Front zum Einsatz. Nach der Entlassung im Frühjahr 1919 legte er im Herbst das Kriegsabitur ab und begann ohne Unterstützung des Vaters in Berlin Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Astronomie zu studieren. 1920 schloss sich Gillen kurze Zeit einem Freikorps an und beteiligte sich am gegen die <lex id="ereig-0212">Weimarer Republik</lex> gerichteten <lex id="ereig-0221">Kapp-Putsch</lex>. 1922 bis 1925 unterbrach er das Studium, arbeitete als Journalist bei verschiedenen Zeitungen, unternahm Kunststudienreisen nach England, Skandinavien, Italien und Griechenland. In dieser Zeit heiratete Gillen, bekam eine Tochter, um sich kurz darauf scheiden zu lassen. Nach der Wiederaufnahme des Studiums 1926 in Köln und in Kiel promovierte er 1929 und arbeitete danach wieder als Journalist.
Nach mehreren Wohnortwechseln der Familie des Buchdruckers und Redakteurs Peter Gillen schloss Otto Gillen in Bad Godesberg die Volksschule ab. Nur dank eines Stipendiums der katholischen Kirche konnte er im besetzten Belgien 1914 in einem Internat eine weiterführende Schulbildung beginnen, die ihm sein Vater verwehrt hatte. 1917 erfolgte die Einberufung zum <lex id="ereig-0068">Militärdienst</lex> und im Sommer 1918 kam er in Nordfrankreich und Flandern an der Front zum Einsatz. Nach der Entlassung im Frühjahr 1919 legte er im Herbst das Kriegsabitur ab und begann ohne Unterstützung des Vaters in Berlin Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Astronomie zu studieren. 1920 schloss sich Gillen kurze Zeit einem Freikorps an und beteiligte sich am gegen die <lex id="ereig-0212">Weimarer Republik</lex> gerichteten <lex id="ereig-0221">Kapp-Putsch</lex>. 1922 bis 1925 unterbrach er das Studium, arbeitete als Journalist bei verschiedenen Zeitungen, unternahm Kunststudienreisen nach England, Skandinavien, Italien und Griechenland. In dieser Zeit heiratete Gillen, bekam eine Tochter, um sich kurz darauf scheiden zu lassen. Nach der Wiederaufnahme des Studiums 1926 in Köln und in Kiel promovierte er 1929 und arbeitete danach wieder als Journalist.

Version vom 22. Februar 2024, 15:39 Uhr


Otto Gillen

Otto Gillen, 1974, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A28/101/3/29.
Otto Gillen, 1974, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A28/101/3/29.

Kunsthistoriker, Journalist, Schriftsteller, * 26. Oktober 1899 Greiz, † 27. Februar 1986 Karlsruhe, kath., ∞ 1. ca. 1925 (o|o ca. 1927), 2. 1932 Gertrud Krause (o|o 1934), 3. 9. März 1946 Elisabeth May, 1 Tochter aus erster, 2 Söhne aus den anderen Ehen.

Nach mehreren Wohnortwechseln der Familie des Buchdruckers und Redakteurs Peter Gillen schloss Otto Gillen in Bad Godesberg die Volksschule ab. Nur dank eines Stipendiums der katholischen Kirche konnte er im besetzten Belgien 1914 in einem Internat eine weiterführende Schulbildung beginnen, die ihm sein Vater verwehrt hatte. 1917 erfolgte die Einberufung zum Militärdienst und im Sommer 1918 kam er in Nordfrankreich und Flandern an der Front zum Einsatz. Nach der Entlassung im Frühjahr 1919 legte er im Herbst das Kriegsabitur ab und begann ohne Unterstützung des Vaters in Berlin Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Astronomie zu studieren. 1920 schloss sich Gillen kurze Zeit einem Freikorps an und beteiligte sich am gegen die Weimarer Republik gerichteten Kapp-Putsch. 1922 bis 1925 unterbrach er das Studium, arbeitete als Journalist bei verschiedenen Zeitungen, unternahm Kunststudienreisen nach England, Skandinavien, Italien und Griechenland. In dieser Zeit heiratete Gillen, bekam eine Tochter, um sich kurz darauf scheiden zu lassen. Nach der Wiederaufnahme des Studiums 1926 in Köln und in Kiel promovierte er 1929 und arbeitete danach wieder als Journalist.

Nach der ersten Stelle im niederschlesischen Sagan wechselte Gillen 1931 an die Goslarsche Zeitung, deren Verleger der antidemokratischen, rechtsextremistischen Harzburger Front angehörte. In seinen Artikeln zur Politik sah Gillen die "nationale Freiheitsbewegung" auf dem Weg zum "Endsieg" marschieren. Ganz im Sinne der NS-Ideologie äußerte er sich deutlich antisemitisch, unterstellte den Juden das Streben nach "Erlangung der Herrschaft". Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) war er 1931 geworden. Im Jahr darauf heiratete er - unter Verheimlichung seiner geschiedenen Ehe - eine Tochter des Verlegers und bekam einen Sohn.

1934 wurde er wegen "sittlicher Verfehlungen" an zwei neunjährigen Mädchen zu 18 Monaten Haft verurteilt, bei der Zeitung entlassen, geschieden und aus der NSDAP ausgeschlossen. Nach seiner Haftentlassung Ende 1935 ging er nach mehreren Wohnortwechseln im September 1937 nach Wien, wo er als freier Journalist arbeitete. 1938 beantragte er erfolglos die Wiederaufnahme in die NSDAP. In dem Schreiben betonte er, es sei ihm immer ein Bedürfnis, für die Verbreitung des NS-Ideenguts zu wirken. Zu dieser Zeit hatte Gillen bereits als Autor sieben Bücher - vorwiegend Gedichte - mit christlicher Thematik veröffentlicht.

Ende 1939 verließ Gillen Wien und legte nach kurzem Studium in Bonn Ende 1941 das Staatsexamen ab. Danach arbeitete er zunächst als Kunsthistoriker in Stuttgart in einer großen Buchhandlung und 1942/43 als Dozent für mittelalterliche Kunst an der Kunstakademie. Ab Mai 1943 leistete er erneut Kriegsdienst und geriet im Februar 1945 im Elsass in Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung im Januar 1946 zog er zu seiner von dort stammenden Braut nach Karlsruhe, heiratete zum dritten Mal und bekam 1947 einen Sohn. Im Februar 1947 wurde er wegen falscher Angaben im NS-Meldebogen verhaftet. In den anschließenden Verhören leugnete er bis zum Beweis des Gegenteils jegliche Betätigung im Sinne der NSDAP und machte auch sonst unkorrekte Angaben. Schließlich endete das Spruchkammerverfahren 1947 nicht zuletzt wegen eidesstattlicher Entlastungserklärungen, so genannter Persilscheine, mit der Einstufung "minderbelastet" sowie 2.000 RM-Geldstrafe und 30 Tagen Strafarbeit. Letztere musste er wegen schlechter Gesundheit nicht ableisten und die Geldstrafe wurde bis auf knapp 200 RM reduziert.

Trotz des Spruchkammerverfahrens, das immerhin die NS-Vergangenheit Gillens belegte, wurde Otto Gillen 1948 Leiter des Kulturressorts der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN). Damit begann die lebenslange Verheimlichung der fragwürdigen Teile seiner Vergangenheit und zwar nicht nur gegenüber der Familie, sondern auch gegenüber dem Arbeitgeber, den Kollegen und der Öffentlichkeit. So konnte er bis zu seinem Ruhestand 1972 das konservative Profil der BNN prägen. In seinen kunst- und kulturkritischen Beiträgen in den BNN bezog er eindeutig Position gegen die "Moderne" als Ausdruck von Chaos, Anarchie und Krankheit. Damit blieb Gillen - nun aber ohne antisemitische Untertöne – seinen Überzeugungen treu. 1939 hatte er in einem Vorbericht zur auch in Wien gezeigten NS-Ausstellung "Entartete Kunst" geschrieben, sie zeige die "wahnsinnigen Auswirkungen des Kunstbolschewismus". Sein Eintreten für die gegenständliche Kunst zeigt zum einen seine Zustimmung zur Malerei des dem Nationalsozialismus nahestehenden Karlsruher Malers Oskar Hagemann. Zum anderen belegt sie auch seine entschiedene Ablehnung der Präsentation moderner Plastiken zur Bundesgartenschau (Garten der Lüste) 1967 in Karlsruhe. Dem stellte er die "wertvollen" NS-Plastiken gegenüber, die bei der Reichsgartenschau 1938 in Stuttgart zu sehen gewesen waren.

Mit diesem rückwärtsgewandten, von NS-Gedankengut beeinflussten Kunstverständnis stieg Gillen zu einer einflussreichen Persönlichkeit der Karlsruher Kulturszene auf. Er wurde Mitglied im Kulturausschuss und der Kunstankaufkommission der Stadt sowie der Jury des Hermann-Hesse Preises. Den Karlsruher Presseclub leitete er mehrere Jahre als Präsident und war Erster Vorsitzender des Karlsruher Kulturforums. 1979 gehörte er zu den Gründern der Schlossfestspiele Ettlingen. Für sein schriftstellerisches Schaffen erhielt Gillen 1954 den Kulturpreis der Stadt. In seinen zahlreichen auch danach publizierten Büchern ging es ihm um den "Protest des Glaubens gegen den Zweifel, der Liebe gegen die Gleichgültigkeit". 1984 wurde er mit der Josef-Sailer-Medaille für die Förderung der Volksschauspiele Ötigheim geehrt.

Erst Recherchen des Sohnes Eckhart Gillen und ein von ihm unterstützter Beitrag für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten schlossen die in den Nachrufen wie in biografischen Texten im Internet bis heute bestehenden Lücken der Biografie Otto Gillens.

Manfred Koch 2024

Quellen

GLA 465 h/47159; 520/Zugang 1981-51/3035; StadtAK 8/ZGS Persönlichkeiten, Gillen, Otto.

Werk

Titelverzeichnis: DNB, Katalog der Deutschen Nationalbibliothek; Mitarbeit am Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte (RDK) und am Lexikon der christlichen Ikonographie.

Literatur

Friedrich Bentmann: Otto Gillen. Zum 75. Geburtstag des Karlsruher Dichters und Schriftstellers, Sonderdruck Ekkhardt 1975; Eckhart Gillen: Texte und Dokumente zu Leben und Werk von Otto Gillen, in: Otto Gillen: Ich will das Lied der Liebe singen – Feldpostbriefe an meine Braut. Kriegstagebuch 1945, hrsg. von Eckhart Gillen, Stein am Rhein 1999; Dávid Gajdos: Das Pressewesen im Nationalsozialismus – Wohin verschwanden Hitlers treue Journalisten nach dem Krieg, https://vdocuments.mx/das-pressewesen-im-nationalsozialismus-wohin-verschwanden-auf-dr-o-gillen.html; Gillen, Dr. Otto, in: ns in ka, hrsg. vom Stadtjugendausschuss Karlsruhe 2018, https://ns-in-ka.de/personen/dr-otto-gillen/ (Zugriff jeweils am 2. Februar 2024).