Jungdeutscher Orden
Wie im gesamten Deutschen Reich, so fanden sich auch in Karlsruhe nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im völkisch-nationalistischen Umfeld zahlreiche neue Gruppierungen zusammen. In der Regel waren dies lokale Ableger reichsweit agierender Gruppen. Zu diesen gehörte der antisemitische und nationalistische Jungdeutsche Orden (Jungdo). Dieser 1920 aus einem Freicorps hervorgegangene nationalliberale Verband lehnte sich an den Deutschen Orden an, die Landesverbände wurden als Balleien bezeichnet, die Ortsgruppen als Bruderschaften.
In Karlsruhe bestand schon vor dem Verbot des Jungdeutschen Ordens Anfang Juli 1922 in Baden auf der Grundlage des Gesetzes zum Schutz der Republik eine Bruderschaft, denn im Januar 1927 feierte diese ihr fünfjähriges Bestehen.
Das vor allem zur Überwachung der links- und rechtsextremen Parteien und Organisationen im Mai 1922 gegründete Badische Landespolizeiamt berichtete am 22. Februar 1924, dass der Jungdo der am 17. Januar gegründeten Vaterländischen Arbeitsgemeinschaft angehörte, in der sich unter anderem die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), der Deutschbund und der Deutsche Offiziersbund fanden. Der Jungdo entfaltete in dieser Zeit ohne großen Erfolg eine lebhafte propagandistische Tätigkeit, darunter Versammlungen mit antisemitischen Hetzreden. Ende des Jahres hatte die Bruderschaft Karlsruhe 280 Mitglieder. In der zweiten Jahreshälfte 1924 war die Bruderschaft unter der Leitung des "Großmeisters" Philipp Günther wiederholt mit Veranstaltungen wie zum Beispiel mit dem 1. Deutschen Abend im Gasthaus Krokodil in Erscheinung getreten. Die Bruderschaft umfasste drei so genannte Gefolgschaften, die von dem Gewerbeschullehrer Oskar Dalichow, einem Dr. Beck, Karlstraße 104, und dem Geschäftsführer Karl Drehfahl geleitet wurden.
Der Verband zählte zu den maßgeblichen Förderern eines Schlageterdenkmals in Schönau und auch in Karlsruhe fanden schon 1924 etliche diesbezügliche Veranstaltungen statt, so etwa am 24./25. Mai 1924 eine Schlageterfeier in der Festhalle mit nächtlichen Ruhestörungen in der Südstadt. Bei einer Hindenburg-Feier am 3. Oktober 1925 war der Jungdeutsche Orden gemeinsam mit dem Stahlhelm Mitveranstalter. Anwesend waren Vertreter nahezu aller Gruppierungen des rechten Spektrums wie die Verbände der Vaterländischen Arbeitsgemeinschaft, der Nationalverband Deutscher Offiziere, der Deutsche Offiziersbund, etliche Militär- und Regimentsvereine sowie die in einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Jungdo verbundene Jungdeutsche Schwesternschaft. Der Vertreter des Jungdo, der beim Hauptversorgungsamt tätige Oberstleutnant a. D. Robert Specht, sprach die Hoffnung aus, dass die Zusammenarbeit mit dem Stahlhelm Bestand haben werde. Tatsächlich schlossen Mitte November die Vereinigten Vaterländischen Verbände Badens eine Arbeitsgemeinschaft mit den Landesverbänden des Stahlhelms, des Jungdeutschen Ordens und der Adler & Falken. Das Landespolizeiamt stellte aber fest, dass die rechtsgerichteten Verbände den Höhepunkt der Entwicklung bereits überschritten haben dürften, so war die Mitgliederzahl der Jungdobruderschaft Karlsruhe Ende 1926 auf 34 zurückgegangen.
Die Bruderschaft Karlsruhe hatte inzwischen ihren bisherigen Großmeister, den gebürtigen Landauer Studenten Philipp Günther abgesetzt, da er den Austritt der halben Mitgliedschaft, darunter der Arzt Bernhard Arnsperger und der Gefolgschaftsführer Oskar Dalichow, verursacht habe. Günther hatte auch die Führung der Karlsruher nationalen Studentenschaft niederlegen müssen. Bei einer verbandsinternen Auseinandersetzung zwischen dem Gründer des Jungdo Oberleutnant a. D. Artur Mahraun, der sich für eine Verständigung mit Frankreich und Großbritannien einsetzte, und dem Hugenbergblatt Deutsche Zeitung, standen die badischen Balleien, die in dieser Zeit 500 bis 600 Mitglieder hatten, auf Seiten Mahrauns. Viele frühere Mitglieder der nord- und mittelbadischen Bruderschaften und Gefolgschaften waren aber dem Stahlhelm und anderen Wehrverbänden beigetreten, so dass nur noch die südbadischen Bruderschaften mehrheitlich Mahraun unterstützten.
Am 2. Mittelbadischen Balleitag, am 30. und 31. Oktober 1926 in Karlsruhe, nahmen etwa 180 Personen teil. Leiter der Veranstaltung war nun wieder Philipp Günther, der aber schon im Januar 1927 im Rahmen eines Jungdeutschen Abends, an dem rund 200 Personen teilnahmen, darunter Delegationen aus sieben badischen Bruderschaften, verabschiedet wurde. Auch dessen Nachfolger als Großmeister Oberstleutnant a. D. Specht hatte 1926 sein Amt niedergelegt und verstarb am 18. März 1927 im Alter von 59 Jahren. In einem Bruderschaftskapitel vom 30. September wurde an seiner Stelle der am 3. Mai 1892 in Schwetzingen geborene und in Karlsruhe-Rüppurr wohnhafte Ferdinand Beisel gewählt. Nicht zuletzt aufgrund dieser Aktivitäten hatte die Bruderschaft im November eine größere Anzahl von Neuaufnahmen zu verzeichnen, womit die Zahl der Mitglieder aber immer noch nur etwa 60 betragen haben soll.
In den folgenden Jahren trat der Jungdeutsche Orden in Karlsruhe kaum noch in Erscheinung. Im Mai 1927 berichtete das Landespolizeiamt, dass bei der Bruderschaft Karlsruhe Unterschlagungen im Betrag von mehreren hundert Mark vorgekommen waren. Zwei Jahre später, im November 1929, war die Mitgliederzahl der Ballei Baden laut Landespolizeiamt insgesamt sehr gering. Auch gab es keine Jungdeutsche Studentengemeinschaft mehr in Karlsruhe. Die Gefahr des Jungdeutschen Ordens, obwohl er nach wie vor eine von Antisemitismus durchdrungene Organisation war, wurde inzwischen eher gering eingeschätzt. So hatte das badische Kultusministerium keine Bedenken mehr gegen die Teilnahme von Schülern an Veranstaltungen des Jungdo. Hier kam wohl zum Tragen, dass sich der Jungdo in der Weimarer Republik weitgehend verfassungstreu verhalten und sich zum Beispiel auch nicht am Kapp-Putsch beteiligt hatte.
Im Juni 1930 schloss sich der Jungdo ohne großen Erfolg mit der vormals linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), der Volksnationalen Reichsvereinigung und anderen Splittergruppen zur Deutschen Staatspartei zusammen. Dies brachte dem Jungdo zwar ein Reichstagsmandat, führte aber zu zahlreichen Austritten von Mitgliedern des rechten Flügels. In Karlsruhe trat der Jungdo nun nicht mehr nennenswert in Erscheinung abgesehen von gelegentlichen Auftritten des Großmeisters Mahraun. Das Badische Landespolizeiamt stellte Ende 1930 fest, dass der Jungdeutsche Orden, der in den ersten Nachkriegsjahren die mächtigste gegen die staatliche Ordnung eingestellte Organisation gewesen sei, nur noch Stützpunkte an den Hochschulen und im südbadischen Wiesental habe. Mit den jetzigen Verfassungsgrundlagen habe sich der Jungdo schon längst ausgesöhnt. Am 3. Juli 1933 löste sich der Jungdo auf, der in Opposition zur nun regierenden Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) stand. Letzter Großmeister war Ernst Maxheimer, Major a. D.
Quellen
GLA 309/6160-6161; Staatsarchiv Freiburg A 96/1 1617, https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/bild_zoom/thumbnails.php?bestand=22869&id=2369155&syssuche=1617&logik=und; Karlsruher Zeitungen 1920-1933, https://digital.blb-karlsruhe.de/zeitungen/topic/view/7756828 (Zugriff am 19. Oktober 2024).
Literatur
Jungdeutscher Orden, in: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Jungdeutscher_Orden (Zugriff am 16. November 2024).