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De:Lexikon:bio-0571: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:bio-0571.jpg|200px|thumb|left|<small>Friedrich I. Wilhelm Ludwig von Baden, um 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS I 134.</small>]]


=Friedrich I. Wilhelm Ludwig von Baden=
<lexmeta name="birth" type="date" value="09.09.1826"/>
<lexmeta name="birth" type="string" value="Karlsruhe"/>


Großherzog, * 9. September 1826 Karlsruhe, † 28. September 1907 Insel Mainau, ev., ∞ 1856 <lex id="bio-0858">Luise von Preußen</lex>, Tochter des Prinzen von Preußen und späteren Kaisers Wilhelm I., 3 Kinder.<br/ ><br/ >
<lexmeta name="death" type="date" value="28.09.1907"/>
Als Sohn von Großherzog <lex id="bio-0569">Leopold</lex> und <lex id="bio-0982">Sophie von Schweden</lex> erhielt Friedrich I. eine sorgfältige Erziehung und eine militärische Ausbildung. In Heidelberg und Bonn studierte Friedrich I. bei den liberalen Professoren Ernst Moritz Arndt, Friedrich Christoph Dahlmann und Ludwig Häusser Geschichts- und Staatswissenschaften. 1852 übernahm er nach dem Tod des Vaters für den psychisch erkrankten Bruder <lex id="bio-0570">Ludwig</lex> die Regentschaft, ab 1856 als Großherzog die Regierung.<br>
<lexmeta name="death" type="string" value="Insel Mainau"/>


Seine Innenpolitik war geprägt vom liberalen Gedankengut seiner Lehrer. Er setzte auf eine stärkere Integration und rasche wirtschaftliche Entwicklung. Mit der Osterproklamation von 1860 begann die „Neue Ära“, mit deren von der liberalen Landtagsmehrheit beschlossenen Reformen Baden zum „Musterländle“ avancierte: unter anderem 1862 Schaffung der Gewerbefreiheit und endgültige Gleichstellung der <lex id="ereig-0048">Juden</lex> sowie Amnestie für die Revolutionäre von 1848/49; 1863/64 Verwaltungsreform mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (<lex id="ins-1343">Verwaltungsgerichtshof</lex>); 1904 Einführung des gleichen und direkten Wahlrechts für alle Männer; im Verlauf des in den 1850er-Jahren einsetzenden badischen Kulturkampfes Durchsetzung staatlicher Rechte im Bereich der Schulaufsicht, der Theologenausbildung und der Ordenstätigkeit, Einführung der Simultanschule an Stelle der Konfessionsschulen (1876) und der Zivilehe.<br>
<lexmeta name="profession" type="string" value="Großherzog"/>


Außenpolitisch strebte Friedrich I. die Einheit Deutschlands unter der Führung eines liberalen Preußens an. Umso belastender empfand er die Teilnahme Badens im Krieg des Deutschen Bundes und Österreichs 1866 gegen Preußen. Höhepunkt seiner Bemühungen um die deutsche Einheit wurde sein Einsatz bei der Reichsgründung 1871 in Versailles als Vermittler zwischen seinem Schwiegervater und Otto von Bismarck und dem ersten Hoch auf den deutschen Kaiser im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Die konservative Politik des Reichskanzlers Bismarck hat er stets kritisiert, zumal nach 1871 der Einfluss der Bundesländer auf die Reichspolitik immer geringer wurde.<br>


Besonderes Gewicht legte Friedrich I. auf die Förderung von Wissenschaft und Kunst: 1854 Gründung der Kunstschule für die Ausbildung von Malern (<lex id="ins-0906">Akademie der bildenden Künste</lex>) unter der Leitung von <lex id="bio-0462">Johann Wilhelm Schirmer</lex> sowie Einweihung des neuen von <lex id="bio-0211">Heinrich Hübsch</lex> geplanten <lex id="ins-0845">Hoftheaters</lex>, das bald eine Blütezeit erlebte; Verleihung der Hochschuleigenschaft für das <lex id="ins-0909">Polytechnikum</lex> (1865), die sich 1902 ihm zu Ehren Fridericiana nannte; 1884 Gründung des Konservatoriums für Musik (<lex id="ins-0902">Hochschule für Musik</lex>); 1873 Einweihung eines neuen Sammlungsgebäudes (<lex id="ins-0837">Naturkundemuseum</lex>) am <lex id="top-3124">Friedrichsplatz</lex> mit der für die Öffentlichkeit zugänglichen <lex id="ins-0808">Hofbibliothek</lex>.<br>
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=Baden, Friedrich I. Wilhelm Ludwig von=

Großherzog, * 9. September 1826 Karlsruhe, † 28. September 1907 Insel Mainau, ev., ∞ 1856 Luise von Preußen, Tochter des Prinzen von Preußen und späteren Kaisers Wilhelm I., 3 Kinder.<br>

Als Sohn von Großherzog <lex id=“bio-0569“>Leopold</lex> und </lex id=“XX“>Sophie</lex> von Schweden erhielt Friedrich I. eine sorgfältige Erziehung und eine militärische Ausbildung. In Heidelberg und Bonn studierte Friedrich I. bei den liberalen Professoren Ernst Moritz Arndt, Friedrich Christoph Dahlmann und Ludwig Häusser Geschichts- und Staatswissenschaften. 1852 übernahm er nach dem Tod des Vaters für den psychisch erkrankten Bruder Ludwig die Regentschaft, ab 1856 als Großherzog die Regierung.<br>

Seine Innenpolitik war geprägt vom liberalen Gedankengut seiner Lehrer. Er setzte auf eine stärkere Integration und rasche wirtschaftliche Entwicklung. Mit der Osterproklamation von 1860 begann die „Neue Ära“, mit deren von der liberalen Landtagsmehrheit beschlossenen Reformen Baden zum „Musterländle“ avancierte: unter anderem 1862 Schaffung der Gewerbefreiheit und endgültige Gleichstellung der <lex id=“bio-11004“>Juden</lex> sowie Amnestie für die Revolutionäre von 1848/49; 1863/64 Verwaltungsreform mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (<lex id=“top-2801>Verwaltungsgerichtshof</lex>); 1904 Einführung des gleichen und direkten Wahlrechts für alle Männer; im Verlauf des in den 1850er-Jahren einsetzenden badischen Kulturkampfes Durchsetzung staatlicher Rechte im Bereich der Schulaufsicht, der Theologenausbildung und der Ordenstätigkeit, Einführung der Simultanschule an Stelle der Konfessionsschulen (1876) und der Zivilehe.<br>

Außenpolitisch strebte Friedrich I. die Einheit Deutschlands unter der Führung eines liberalen Preußens an. Umso belastender empfand er die Teilnahme Badens im Krieg des Deutschen Bundes und Österreichs 1866 gegen Preußen. Höhepunkt seiner Bemühungen um die deutsche Einheit wurde sein Einsatz bei der Reichsgründung 1871 in Versailles als Vermittler zwischen seinem Schwiegervater und Otto von Bismarck und dem ersten Hoch auf den deutschen Kaiser im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Die konservative Politik des Reichskanzlers Bismarck hat er stets kritisiert, zumal nach 1871 der Einfluss der Bundesländer auf die Reichspolitik immer geringer wurde.<br>


Der zunehmende <lex id="ereig-0082">Antisemitismus</lex> war Friedrich I., der mit <lex id="bio-0368">Moritz Ellstätter</lex> den ersten jüdischen Finanzminister ernannt hatte und mit Theodor Herzl Kontakt pflegte, fremd.<br>
Besonderes Gewicht legte Friedrich I. auf die Förderung von Wissenschaft und Kunst: 1854 Gründung der Kunstschule für die Ausbildung von Malern (<lex id=“ins-0906“>Akademie der bildenden Künste</lex>) unter der Leitung von <lex id=“bio-0462“>Johann Wilhelm Schirmer</lex> sowie Einweihung des neuen von <lex id=“bio-0211“>Heinrich Hübsch</lex> geplanten <lex id=“top-1262“>Hoftheaters</lex>, das bald eine Blütezeit erlebte; Verleihung der Hochschuleigenschaft für das <lex id=“ins-0910>Polytechnikum</lex> (1865), die sich 1902 ihm zu Ehren Fridericiana nannte; 1884 Gründung des Konservatoriums für Musik (<lex id=“ins-0902“>Hochschule für Musik</lex>); 1873 Einweihung eines neuen Sammlungsgebäudes (<lex id=“ins-11085“>Naturkundemuseum</lex>) am <lex id=“top-0826“>Friedrichsplatz</lex> mit der für die Öffentlichkeit zugänglichen Hofbibliothek.<br>


Wie überall im Land beging die Bevölkerung auch in Karlsruhe die Festtage des Großherzogs und des Hofes mit großer Anteilnahme, so auch die Trauerfeierlichkeiten und die Bestattung von Friedrich I. in der <lex id="ins-1451">Grabkapelle</lex> (Mausoleum) im <lex id="top-0730">Fasanengarten</lex>. Der Friedrichsplatz in Karlsruhe wurde nach ihm benannt und die <lex id="ins-1499">Friedrichschule</lex> in <lex id="top-0558">Durlach</lex> trägt seit 1913 seinen Namen. Ein vor dem <lex id="ereig-0068">Ersten Weltkrieg</lex> ihm zu Ehren geplantes Reiterstandbild auf dem Friedrichsplatz wurde nach 1918 nicht mehr realisiert.
Der zunehmende Antisemitismus war Friedrich I., der mit <lex id=“bio-0368“>Moritz Ellstätter</lex> den ersten jüdischen Finanzminister ernannt hatte und mit Theodor Herzl Kontakt pflegte, fremd.<br>


<div style="text-align:right;">''Leonhard Müller 2012''</div>
Wie überall im Land beging die Bevölkerung auch in Karlsruhe die Festtage des Großherzogs und des Hofes mit großer Anteilnahme, so auch die Trauerfeierlichkeiten und die Bestattung von Friedrich I. in der <lex id=“top-1883“>Grabkapelle</lex> (Mausoleum) im <lex id=“top-11045“>Fasanengarten</lex>. Der <lex id=“top-0826“>Friedrichsplatz</lex> in Karlsruhe wurde nach ihm benannt und die <lex id=“ins-11086“>Friedrichschule</lex> in <lex id=“top-0558“>Durlach</lex> trägt seit 1913 seinen Namen. Ein vor dem <lex id=“ereig-0068“>Ersten Weltkrieg</lex> ihm zu Ehren geplantes Reiterstandbild auf dem Friedrichsplatz wurde nach 1918 nicht mehr realisiert. <div style="text-align:right;">''Leonhard Müller 2012''</div>


==Quelle:==
==Quelle==
GLA, Hausarchiv.
GLA, Hausarchiv.
==Werke:==
==Werk==
Jugenderinnerungen 1826-1846, hrsg. von Karl Obser, 1921; Reden und Kundgebungen 1852–96, hrsg. von Rudolf Krone, 1901/03; Großherzog Friedrich I. von Baden und die deutsche Politik 1854-71, Briefwechsel, Denkschriften und Tagebücher, 2 Bde., bearb. von Hermann Oncken, 1927.
Jugenderinnerungen 1826-1846, hrsg. von Karl Obser, 1921; Reden und Kundgebungen 1852–96, hrsg. von Rudolf Krone, 1901/03; Großherzog Friedrich I. von Baden und die deutsche Politik 1854-71, Briefwechsel, Denkschriften und Tagebücher, 2 Bde., bearb. von Hermann Oncken, 1927.
==Literatur:==
==Literatur==
Hans Georg Zier: Friedrich I., in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 5, Berlin 1961, S. 490–492.
Hans Georg Zier: Friedrich I., in: Neue Deutsche Biographie (NDB) Bd. 5, Berlin 1961, S. 490–492.

Aktuelle Version vom 30. September 2022, 07:23 Uhr


Friedrich I. Wilhelm Ludwig von Baden, um 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS I 134.

Friedrich I. Wilhelm Ludwig von Baden

Großherzog, * 9. September 1826 Karlsruhe, † 28. September 1907 Insel Mainau, ev., ∞ 1856 Luise von Preußen, Tochter des Prinzen von Preußen und späteren Kaisers Wilhelm I., 3 Kinder.

Als Sohn von Großherzog Leopold und Sophie von Schweden erhielt Friedrich I. eine sorgfältige Erziehung und eine militärische Ausbildung. In Heidelberg und Bonn studierte Friedrich I. bei den liberalen Professoren Ernst Moritz Arndt, Friedrich Christoph Dahlmann und Ludwig Häusser Geschichts- und Staatswissenschaften. 1852 übernahm er nach dem Tod des Vaters für den psychisch erkrankten Bruder Ludwig die Regentschaft, ab 1856 als Großherzog die Regierung.

Seine Innenpolitik war geprägt vom liberalen Gedankengut seiner Lehrer. Er setzte auf eine stärkere Integration und rasche wirtschaftliche Entwicklung. Mit der Osterproklamation von 1860 begann die „Neue Ära“, mit deren von der liberalen Landtagsmehrheit beschlossenen Reformen Baden zum „Musterländle“ avancierte: unter anderem 1862 Schaffung der Gewerbefreiheit und endgültige Gleichstellung der Juden sowie Amnestie für die Revolutionäre von 1848/49; 1863/64 Verwaltungsreform mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichtshof); 1904 Einführung des gleichen und direkten Wahlrechts für alle Männer; im Verlauf des in den 1850er-Jahren einsetzenden badischen Kulturkampfes Durchsetzung staatlicher Rechte im Bereich der Schulaufsicht, der Theologenausbildung und der Ordenstätigkeit, Einführung der Simultanschule an Stelle der Konfessionsschulen (1876) und der Zivilehe.

Außenpolitisch strebte Friedrich I. die Einheit Deutschlands unter der Führung eines liberalen Preußens an. Umso belastender empfand er die Teilnahme Badens im Krieg des Deutschen Bundes und Österreichs 1866 gegen Preußen. Höhepunkt seiner Bemühungen um die deutsche Einheit wurde sein Einsatz bei der Reichsgründung 1871 in Versailles als Vermittler zwischen seinem Schwiegervater und Otto von Bismarck und dem ersten Hoch auf den deutschen Kaiser im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Die konservative Politik des Reichskanzlers Bismarck hat er stets kritisiert, zumal nach 1871 der Einfluss der Bundesländer auf die Reichspolitik immer geringer wurde.

Besonderes Gewicht legte Friedrich I. auf die Förderung von Wissenschaft und Kunst: 1854 Gründung der Kunstschule für die Ausbildung von Malern (Akademie der bildenden Künste) unter der Leitung von Johann Wilhelm Schirmer sowie Einweihung des neuen von Heinrich Hübsch geplanten Hoftheaters, das bald eine Blütezeit erlebte; Verleihung der Hochschuleigenschaft für das Polytechnikum (1865), die sich 1902 ihm zu Ehren Fridericiana nannte; 1884 Gründung des Konservatoriums für Musik (Hochschule für Musik); 1873 Einweihung eines neuen Sammlungsgebäudes (Naturkundemuseum) am Friedrichsplatz mit der für die Öffentlichkeit zugänglichen Hofbibliothek.

Der zunehmende Antisemitismus war Friedrich I., der mit Moritz Ellstätter den ersten jüdischen Finanzminister ernannt hatte und mit Theodor Herzl Kontakt pflegte, fremd.

Wie überall im Land beging die Bevölkerung auch in Karlsruhe die Festtage des Großherzogs und des Hofes mit großer Anteilnahme, so auch die Trauerfeierlichkeiten und die Bestattung von Friedrich I. in der Grabkapelle (Mausoleum) im Fasanengarten. Der Friedrichsplatz in Karlsruhe wurde nach ihm benannt und die Friedrichschule in Durlach trägt seit 1913 seinen Namen. Ein vor dem Ersten Weltkrieg ihm zu Ehren geplantes Reiterstandbild auf dem Friedrichsplatz wurde nach 1918 nicht mehr realisiert.

Leonhard Müller 2012

Quelle

GLA, Hausarchiv.

Werk

Jugenderinnerungen 1826-1846, hrsg. von Karl Obser, 1921; Reden und Kundgebungen 1852–96, hrsg. von Rudolf Krone, 1901/03; Großherzog Friedrich I. von Baden und die deutsche Politik 1854-71, Briefwechsel, Denkschriften und Tagebücher, 2 Bde., bearb. von Hermann Oncken, 1927.

Literatur

Hans Georg Zier: Friedrich I., in: Neue Deutsche Biographie (NDB) Bd. 5, Berlin 1961, S. 490–492.