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Johann Georg Schöpflin


Georg Schöpflin, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS IV 243 (Ausschnitt).

Johann Georg Schöpflin

Journalist, Politiker, * 5. April 1869 Vierthäler/heute Titisee/Lkr. Breisgau-Hochschwarzwald, † 24. November 1954 Schöneiche bei Berlin/Lkr. Oder-Spree, kath., ∞ 1900 Martha Bürger, 5 Kinder.

Georg Schöpflin, Sohn eines Küfers und Landwirts, besuchte die Volksschule in Titisee und Freiburg. 1883-1885 absolvierte er eine Lehre als Bürstenmacher und ging dann bis 1889 auf Wanderschaft in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und der Schweiz. Nach dem Militärdienst beim 109. Infanterieregiment in Karlsruhe 1889-1891 arbeitete er in seinem Beruf und trat der Gewerkschaft wie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei. Er fiel als aktives und wortgewandtes Mitglied auf und wurde 1895 Volontär beim Vorwärts in Berlin, wechselte im gleichen Jahr als Redakteur zur Märkischen Volkstimme nach Frankfurt/Oder, war danach bis 1913 Redakteur von Parteizeitungen in Burgstädt/Sachsen, Chemnitz und Leipzig und leitete 1914-1918 die Sozialdemokratische Parteikorrespondenz in Berlin. 1903-1907 und 1909-1932 gehörte Schöpflin dem Reichstag an, wo er zum reformorientierten Flügel um Ebert, Noske, Scheidemann und David zählte. Als Mitglied des Hauptausschusses des Reichstags trat er im Ersten Weltkrieg für den Burgfrieden, die Bewilligung von Kriegskrediten und den Eintritt der SPD in die Regierung des Prinzen Max von Baden ein.

Sein besonderes Interesse galt während seiner Abgeordnetentätigkeit im Plenum wie in Kommissionen Militärfragen. So wurde Schöpflin in der Revolutionszeit 1918/19 politischer Beigeordneter des militärischen Oberkommandos in den Marken und für neun Monate Militärgouverneur von Groß-Berlin und danach im Reichstag Sprecher seiner Fraktion für die Wehrpolitik. Er trat energisch für die Beibehaltung der Wehrpflicht ein, lehnte aber ebenso entschieden die Aufnahme von Mitgliedern rechtsradikaler Organisationen, insbesondere der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) ab.

1919 übernahm Schöpflin in Karlsruhe die Chefredaktion des Volksfreundes. Er wohnte mit seiner Familie zehn Jahre in der Hirschstraße 126 und danach in der Boeckhstraße 42. Bis 1932 vertrat er nun einen badischen Wahlkreis im Reichstag. Als Journalist genoss er in Karlsruhe hohes Ansehen. Seine kunstvollen, in fairer Gegnerschaft mit seinem Widerpart von der Zentrums-Zeitung, dem Badischen Beobachter, geführten Polemiken zeichnete er mit Isegrimm. Zeitgenossen bezeichneten sie als lebendig und volksnah. Die Machtübernahme der NSDAP setzte der politischen wie beruflichen Tätigkeit des 64-Jährigen ein Ende. Einer möglichen Verhaftung 1933 entzog er sich durch einen kurzen Aufenthalt in der Schweiz, danach lebte er, abgesehen von einem Gestapoverhör 1935, unbehelligt in Karlsruhe bis zu seiner Übersiedlung nach Schöneiche Ende 1935. Von dort aus pflegte er - die Emigration hatte er für sich ausgeschlossen - Kontakte zu Karlsruher Zentrumsmitgliedern, traf alte Parteifreunde und hatte Verbindung zu militärischen Widerstandskreisen in Berlin.

Nach Kriegsende beteiligte sich Schöpflin am Wiederaufbau der SPD in der sowjetisch besetzten Zone und begrüßte als Teilnehmer am Vereinigungsparteitag von SPD und KPD 1946 die Bildung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Während seines gesamten politischen Wirkens nahm Schöpflin seit 1896 an etwa 30 Parteitagen der SPD und der SED teil.1946-1951 war er Mitglied und Alterspräsident des Landtags von Brandenburg, 1948/49 des Deutschen Volksrats und 1949/50 der provisorischen Volkskammer der DDR. 1947 wurde Schöpflin Mitglied des Kreistags Niederbarnim und Vorsitzender der Gemeindevertretung von Schöneiche, die ihn auch zum Ehrenbürger ernannte. Karlsruhe besuchte er noch einmal, um auf einer KPD-Versammlung über die Einheit der Arbeiterklasse zu sprechen.

Manfred Koch 2016

Quellen

Friedrich-Ebert-Stiftung: 1/GSAE (Bestand Georg und Kurt Schöpflin), https://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/nachlass/nachlass_s/schoepflin-ge.htm (Zugriff am 14. Dezember 2017); StadtAK 8/ZGS Persönlichkeiten.

Werk

Die Aussperrung der Crimmitschauer Weber, ihre Ursachen und Geschichte: ein Wort an die deutschen Arbeiter, in: Crimmitschau unterm Belagerungszustand, hrsg. vom Central-Verband Deutscher Textilarbeiter und Arbeiterinnen, Berlin 1903, S. 5-16; Die sächsischen Landtagswahlen 1901, in: Sozialistische Monatshefte 1901, Heft 11, S. 887-892; Kriegervereine und Sozialdemokraten, in: Die neue Zeit, 36, 1917-1918, 2. Bd. (1918), H. 15, S. 345-349, Heft 22, S. 511-514; Parteitagsrede in: 40. Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands am 19. und 20. April 1946 in Berlin, Berlin 1946, S. 124-128; Johann Heinrich Wilhelm Dietz. Der Schöpfer und Organisator des sozialistischen Verlagsgeschäfts zum fünfundzwanzigsten Todestag am 28. August 1947, Berlin 1947; Aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung: "Erlebnisse eines Sozialdemokraten", in: Einheit. Zeitschrift für Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus, 2 (1947), S. 685-688.

Literatur

Stephan P. Wolf: Schöpflin, Johann Georg, in: Baden-Württembergische Biographien, Bd. 2, hrsg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 1999, S. 419-421 (mit zahlreichen weiteren Quellen- und Literaturhinweisen); Manfred Koch: Georg Schöpflin, Chefredakteur und Wehrexperte, in: ders. (Hrsg.): Im Mittelpunkt der Mensch. Parlamentsreden Karlsruher SPD-Abgeordneter, Karlsruhe 2001, S. 102-111.