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Jugendherberge


Jugendherberge, 1956, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Bildstelle III 1107.
Jugendherberge vor der Modernisierung (rechts hinten der Erweiterungsbau von 1965/66), 1978, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A36/237/6/32.
Jugendherberge nach Umbau, Erweiterung und Modernisierung, 1982, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A43/177/4/5.

Jugendherberge

Am 25. April 1920 wurde in der Aula des Karlsruher Bismarck-Gymnasiums der Zweigausschuss Baden für deutsche Jugendherbergen gegründet, dessen Ziel die Schaffung preiswerter Unterkünfte für die wandernde Jugend im Land war. Auf Betreiben der Karlsruher Ortsgruppe entstand 1922 auch in der Landeshauptstadt eine solche Einrichtung im Dachgeschoss des Hauptversorgungsamts, welches sich in der ehemaligen Neuen Artilleriekaserne in der Moltkestraße 8 befand. Es handelte sich dabei um einen größeren Raum mit 30 Schlafstellen. Ein zweiter Schlafraum für die Unterbringung von Mädchen, ein Aufenthaltsraum oder auch ein besonderer Waschraum und Abort fehlten. Dennoch konnte diese erste „Karlsruher Jugendherberge“ 1922 714, 1923 1.916, 1924 1.234 und 1925 sogar 2.296 Gäste verzeichnen.

Die unzulänglichen Verhältnisse verbunden mit dem äußerst ungünstigen Standort führten spätestens ab 1926 zu der Überlegung, die Herberge in das Luisenhaus in der Baumeisterstraße 56 zu verlegen, in dem seit 1924 auch das Jugendheim untergebracht war. Als das Versorgungsamt 1928 den Raum für sich beanspruchte, stellte die Stadtverwaltung die bisher von der Volksküche im Luisenhaus genutzten Räume für Herbergszwecke zur Verfügung.

In Anwesenheit von Bürgermeister Heinrich Sauer, Oberregierungsrat Karl Broßmer, Jugendamts-Leiterin Elisabeth Großwendt und den Karlsruher Jugendbünden fand am 14. Oktober 1928 die feierliche Eröffnung der „neuen Jugendherberge“ statt. Ihre Räume lagen im nördlichen Gebäudeflügel und umfassten im Erdgeschoss zwei Schlafsäle, einen Schlafraum für Jugendführer, einen Tages- und Essraum mit Gasherd für die Zubereitung kleinerer Mahlzeiten, im Dachgeschoss vier Zimmer und einen Nebenraum sowie im Untergeschoss einen Wasch- und Baderaum und einen Fahrradkeller. Insgesamt konnten bis zu 65 männliche Herbergsgäste in der Einrichtung, die von der Karlsruher Ortsgruppe des badischen Jugendherbergsverbandes betrieben wurde, unterkommen.

Im Juni 1929 überließ die Stadt der Ortsgruppe weitere Räume im Luisenhaus für die Unterbringung auch weiblicher Herbergsgäste. Weil die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) 1934 die Räumlichkeiten beanspruchte, wurde die „Jugendherberge für Mädchen und Knaben“ in das ehemalige Garnisonslazarett in der Gartenstraße 56 b (von 1939-1945 in Günther-Quandt-Straße 2 umbenannt) verlegt. Angesichts der steigenden Nachfrage – 1937 wurden rund 10.000 Übernachtungen verzeichnet – erwies sich die mit 120 Betten ausgestattete Behelfslösung schon bald als zu klein. Der Landesverband Baden im Reichsverband für Deutsche Jugendherbergen schrieb daher Anfang März 1938 unter den Karlsruher Architekten einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für eine „Großjugendherberge“ auf dem Gelände des ehemaligen Rüppurrer Schlosses aus. Die Baukosten sollten von der Stadt getragen werden. Den mit 1.000 RM dotierten ersten Preis gewann Alex Bierig, dessen Planung einen funktionalen Neubau mit 300 Betten vorsah, der im rechten Winkel zur Zehntscheuer, dem einstigen Fohlenstall, zu stehen kam. Nach seiner Fertigstellung sollte auch die Zehntscheuer zur Aufnahme von Massenschlafräumen umgebaut werden, so dass zu Stoßzeiten bis zu 1.000 Wanderer Unterkunft finden konnten. Am 15. April 1939 fand im Beisein von Oberbürgermeister Oskar Hüssy und Obergebietsführer Friedhelm Kemper die Grundsteinlegung zum Neubau statt, der über erste Ansätze nicht hinauskam. So verblieb die Jugendherberge bis zu ihrer Zerstörung bei einem Bombenangriff gegen Jahresende 1944 in der Gartenstraße.

Mit dem Wiederaufbau des Badischen Jugendherbergswerks und der Gründung des Karlsruher Ortsvereins im März 1947 rückte auch die Wiedererrichtung einer Jugendherberge in den Fokus, für welche die Stadtverwaltung ihre Unterstützung zusagte. 1952 gelang es der Stadt, einen Erbbauvertrag über den künftigen Bauplatz von Jugendheim (heute Haus der Jugendverbände ‚Anne Frank‘) und Jugendherberge am Engländerplatz mit dem Land abzuschließen. Zugleich stellte sie 258.000 DM für den Herbergsneubau zur Verfügung. Nach einem Vorentwurf durch das Städtische Hochbauamt wurde die Planung im August 1952 der Karlsruher Architekten-Arbeitsgemeinschaft Adam Stöbener, Hans Wetzel und Edwin Burkart übertragen. An Pfingsten (24. Mai) 1953 nahm die neue Jugendherberge inoffiziell den Betrieb auf. Das zweigeschossige Gebäude mit Satteldach verfügte über 100 Betten in vierzehn Acht- und Sechs-Bett-Zimmern, 30 Matratzen für ein Notlager im Dachgeschoss sowie über moderne Dusch-, Wasch-, Aufenthalts- und Wirtschaftsräume. Betrieben wurde das Haus vom badischen Landesverband des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH), der auch die Inneneinrichtung der Herberge übernommen hatte.

Bereits zum 31. August 1953 verzeichnete die Jugendherberge 11.159 Übernachtungen. Die durchschnittliche Belegung im Juli und August hatte bei 200-220 Personen gelegen, was nur durch den provisorischen Ausbau des Dachstocks zu bewältigen gewesen war. 1962 wurde der Karlsruher Architekt Hellmut Riedel mit der Erweiterung der Herberge beauftragt. Der mit 415.000 DM veranschlagte Anbau, der im rechten Winkel an der Nordseite des Gebäudes zu stehen kam, war 1966 fertig gestellt. Die offizielle Übergabe des An- und Umbaus – die Herberge verfügte nun über 228 Betten – erfolgte im Rahmen der Bundesgartenschau anlässlich der „Woche des Wanderns“ am 19. Mai 1967 durch den Vorsitzenden des Stadtjugendausschusses, Stadtrat Max Singer.

Fehlende Tagungsräume, veraltete sanitäre Anlagen und einfache Schlafräume ließen seit Beginn der 1970er-Jahre die Belegung stetig sinken (1969: 24.000, 1974: 15.837 Übernachtungen). Von 1973-1976 verhandelte der badische Landesverband des DJH mit der Stadt über einen modernen Neubau mit rund 200 Betten im Stadtteil Rüppurr, bevorzugt auf dem Gelände des ehemaligen Schlosses. 1976 wurde das Projekt aufgegeben und dafür zum Jahresende 1978 die Modernisierung und beschränkte Erweiterung des bestehenden Hauses beschlossen, die letztendlich 2,3 Millionen DM kostete. Am 8. November 1980 fand die Wiedereröffnung der um ein und zwei Geschosse erhöhten Herberge statt, die nun 182 Schlafstätten, sechs Tagungsräume, einen vergrößerten Speisesaal etc. umfasste. Die Zahlen lagen seitdem bis einschließlich 2019 bei durchschnittlich 30.500 Übernachtungen im Jahr.

Dennoch wird seit 2011/2015 über einen Neubau der Jugendherberge mit rund 250 Betten beim Traugott-Bender-Sportpark in der Waldstadt diskutiert, da die derzeitige Ausstattung mit Mehrbettzimmern ohne eigenes Bad und Toilette nicht mehr dem Komfort einer zeitgemäßen Jugendherberge entspricht.

Katja Förster 2021

Quellen

StadtAK 1/H-Reg 10163; Karlsruher Adressbücher 1926 ff., https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/bestaende/adressbuecher.de (Zugriff am 31. Januar 2021).

Literatur

Badische Presse vom 20. Mai und 16. Juni 1926, 12. und 16. Oktober 1928, StadtAK 8/Ze 7, https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/periodical/titleinfo/2411029 (Zugriff am 31. Januar 2021); Der Führer vom 5. März und 20. Mai 1938, 15. April 1939, StadtAK 8/Ze 14, https://digital.blb-karlsruhe.de/6354944 (Zugriff am 31. Januar 2021); Badische Neueste Nachrichten (BNN) vom 19. April 1947, 21. Juni 1952, 14. März 1953, 20. Mai 1967, 18. Februar 1975, 10. November 1980, 1. Dezember 2011, 2. März und 26. August 2015, StadtAK 8/Ze 15, https://digital.blb-karlsruhe.de/6351994 (Zugriff am 2. Februar 2021); Badische Volkszeitung vom 14. Oktober 1964, StadtAK 8/Ze 20.