Archivkommission
Die Geschichte des Stadtarchivs als städtische Einrichtung im heutigen Sinne beginnt am 10. Juli 1885 mit dem Erlass eines Ortsstatuts über die Verwaltung des Städtischen Archivs und die Bildung einer siebenköpfigen Archivkommission. Diese setzte sich unter dem Vorsitz des Bürgermeisters und späteren langjährigen Oberbürgermeisters Karl Schnetzler, der diese Funktion bis zu seinem Tode im Jahr 1906 ausübte, aus den Stadträten Hofbuchhändler Adolf Bielefeld, Kaufmann Adolf Römhildt und Heinrich Vierordt, Schriftsteller und Heimatdichter, sowie den weiteren Mitgliedern Journalist und Privatgelehrter Otto Ammon, Intendantursekretär a. D. Friedrich Baumberger und Professor und Direktor des Karlsruher Gymnasiums Josef Häußner zusammen. Die Tatsache, dass es sich um bekannte Persönlichkeiten handelte, unterstreicht das Gewicht, das man dieser Kommission zudachte. Der Direktor des Generallandesarchivs Friedrich von Weech wurde im Oktober 1888 Mitglied der Archivkommission, der er bis zu seinem Tod 1905 angehörte. Nachfolger wurde der Archivar Albert Krieger, seit 1895 bereits stellvertretendes Mitglied der Städtischen Archivkommission. In den folgenden Jahren wurden etliche zum Teil prominente neue Mitglieder in die Kommission berufen, darunter der Brauereibesitzer Friedrich Hoepfner, der Maler und Professor an der Kunstgewerbeschule Karl Eyth, der Schriftsteller Albert Geiger, der Architekt Adolf Williard, der Lokalhistoriker Benedikt Schwarz, Gymnasialprofessor Robert Goldschmit und der Direktor des Generallandesarchivs Karl Obser.
Aufgaben der Archivkommission und damit des Stadtarchivs waren "1. Schriftwerke, Abbildungen, Urkunden, Pläne sowie andere Denkmale und Erinnerungszeichen, welche für die Geschichte der Stadt von Bedeutung sind, soweit thunlich zu sammeln, sie zu ordnen und aufzubewahren; 2. dafür zu sorgen, daß die Häuser der Stadt, wo bedeutende Männer wohnten, oder die Plätze, wo sich bedeutende Ereignisse abspielten, durch Erinnerungstafeln oder sonst auf geeignete Weise kenntlich gemacht werden; 3. eine Sammlung der Werke hiesiger Schriftsteller anzulegen und weiterzuführen; 4. eine Geschichte der Stadt von deren Gründung bis zur Gegenwart herauszugeben; 5. eine fortlaufende Chronik der Stadt zu führen."
Diesen Aufgaben kam die Kommission nach. Bis zum Ende des Kaiserreichs wurden insgesamt 23 Gedenktafeln angebracht, die in der Archivkommission beraten und ausformuliert worden waren, um dann vom Stadtrat beschlossen zu werden. Geehrt wurden die liberalen Politiker und Minister August Lamey und Georg Ludwig Winter. Karlsruhe war bis ins 20. Jahrhundert eine nationalliberal geprägte Stadt, was sich nicht zuletzt in der Besetzung der Archivkommission und damit auch in der Erinnerungskultur im Kaiserreich deutlich niederschlug.
Für den Bereich der Musik stehen Eduard Devrient und Johann Wenzel Kalliwoda. Ebenso wurde der Erfinder Freiherr Karl von Drais (zwei Tafeln) und Ferdinand Redtenbacher, Begründer des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule, gedacht. An das alte Karlsruhe erinnerte eine Tafel am Standort des ersten, 1728 fertig gestellten Rathauses, je eine Tafel an die ehemaligen Stadttore, das Mühlburger Tor, das alte Rüppurrer Tor, das neue Rüppurrer Tor und das alte Linkenheimer Tor. Der Bedeutung der Stadt als Sitz der Badischen Ständeversammlung, des badischen Landtags, trug die Tafel am ersten Tagungsort vor dem Bau des Ständehauses am Rondellplatz Rechnung. Außerdem erschienen im Auftrag der Kommission 34 Bände der Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe, die einbändige Stadtgeschichte von Karl Gustav Fecht, die dreibändige Karlsruher Stadtgeschichte von Friedrich von Weech und die Festschrift von Robert Goldschmit zum 200. Stadtjubiläum im Jahr 1915.
Ferner war die Archivkommission, deren Vorsitz 1906 der neue Oberbürgermeister Karl Siegrist übernahm, für Ankäufe und Straßenbenennungen zuständig. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie allerdings nicht mehr weitergeführt, auch ein Indiz für den Bedeutungsverlust des Stadtarchivs in der Weimarer Republik.
Quellen
Karlsruher Zeitungen 1885-1920, https://digital.blb-karlsruhe.de/zeitungen/topic/view/7756828 (Zugriff am 3. Juni 2024).
Literatur
Ernst Otto Bräunche/Angelika Herkert/Angelika Sauer: Geschichte und Bestände des Stadtarchivs Karlsruhe, Karlsruhe 1990 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 11); Ernst Otto Bräunche (Hrsg.): Stadtarchiv Karlsruhe. Gedächtnis der Stadt, Karlsruhe 2010; Ernst Otto Bräunche/Peter Eisemann/Gerhard Kabierske/Bernhard Schmitt: Von der Pfandleihe zum Stadtarchiv, Karlsruhe 2013 (= Häuser- und Baugeschichte, Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 12); Geschichte des Stadtarchivs, https://stadtgeschichte.karlsruhe.de/stadtarchiv/ueber-das-stadtarchiv/geschichte-des-stadtarchivs; Homepage: https://stadtgeschichte.karlsruhe.de/stadtarchiv (Zugriff jeweils am 3. Juni 2024).