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Knielingen

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Knielingen an der Alb auf einer Panoramakarte des 16. Jahrhunderts, Ansicht von Westen, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS XVI 1 (Ausschnitt).
Ortsbebauung von Knielingen zwischen dem Bahnhof im Südosten und dem Viehtrieb (Rheinbergstraße) im Westen (Norden ist links), Ausschnitt aus dem Knielinger Gemarkungsplan von 1869, Stadtarchiv Karlsruhe XVI 221.
Viehtränke an der Alb mit Knielinger Kirche im Hintergrund, Aufnahme von Wilhelm Kratt um 1920, GLA 498-1 Nr. 2357 (Zugriff am 10. September 2023).

Knielingen

Knielingen ist mit über 1.200 Jahren Geschichte der älteste Karlsruher Stadtteil und mit seiner Ausdehnung zum Rhein zwischen den Raffinerien der Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) im Norden und dem Rheinhafen im Süden und landwirtschaftlich genutzten und unter Naturschutz stehenden Gebieten rund um den Knielinger See flächenmäßig der zweitgrößte nach Durlach. Seine Ersterwähnung als Cnutlinga im Jahre 786 (neuere Forschungen nehmen sogar das Jahr 776 an) geht auf die Schenkung eines fränkischen Gaugrafen von Ackerland aus seinem Besitz in Knielingen an das Kloster Lorsch zurück, die im Codex des Klosters verzeichnet ist. Der Ortsname weist auf die Sippe des Germanen Cnutilo hin, dessen Angehörige sich hier niedergelassen haben, und nicht auf die Lage des Dorfes an einem Knie des Rheins, wie mitunter behauptet wurde.

Siedlungsspuren der Kelten wurden auf der Gemarkung Knielingen durch Grabungsfunde bis in die Latène-Zeit (circa 400 v. Chr.) nachgewiesen, es fanden sich aber auch Artefakte aus der Römerzeit. Urkundlich fassbar wird das Dorf wieder 1110, als das Kloster Gottesaue hier Besitzungen erwarb. Auf einer frühen Panoramakarte des 16. Jahrhunderts wird der Ort zwischen Schloss Mühlburg und dem Rhein erstmals dargestellt. Aus der hier schon zu erkennenden Struktur des Straßendorfs ragt der Turm der Kirche (seit 1480 erbaut) hervor, die heute zu den ältesten Kulturdenkmälern der Stadt Karlsruhe zählt.

Sein heutiges Aussehen hat der alte Ortskern nach seiner fast vollständigen Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1688 bekommen. Die Kirche wurde wiederhergestellt, das Rathaus neu erbaut und es entstanden die Fachwerkhäuser an der Saarlandstraße und der Unteren Straße, von denen heute noch einige erhalten sind und unter Denkmalschutz stehen. Wenig später wurde der Viehtrieb an der Rheinbergstraße bebaut und 1815 die Neufeldstraße angelegt. Durch neue Methoden im Ackerbau und in der Viehzucht wuchs der Wohlstand an, so dass der Knielinger Ortsvorsteher schon 1816 von der "reichsten Landgemeinde im Landamtsbezirk" Karlsruhe sprach.

Bereits ein Jahr später begann Johann Gottfried Tulla auf Knielinger Gemarkung mit dem Knielinger Durchschnitt die Rheinregulierung, die sehr einschneidend für Knielingen war, gerieten doch dadurch wertvolle Ackerböden und Fisch- und Goldgründe auf die andere Rheinseite oder wurden von dem neuen Strombett verschlungen, was den Widerstand der Bauern herausforderte. Zwischen dem neuen Rheinbett und einem Altrheinarm entstand eine Insel, die Markgraf Maximilian von Baden erwarb, der hier sein Hofgut Maxau errichtete. Daneben wurde 1840 die erste Karlsruher Schiffbrücke über den Rhein gebaut, die Jahre später die pfälzischen Freischärler der Revolution von 1848/49 zur Flucht vor den preußischen Truppen benutzten. Schon 1865 wurde dieser Rheinübergang von einer Eisenbahnschiffbrücke abgelöst, die den Zugverkehr über Mühlburg und Knielingen in die Pfalz leitete. Die über diese Brücke führende Maxaubahn begünstigte die industrielle Entwicklung nicht nur in Knielingen. Der Ort war aber noch lange von der Landwirtschaft geprägt und war vor allem für seinen Hanfanbau und seine Pferde- und Viehzucht bekannt. Nach 1870 wurde ein neues Baugebiet nordöstlich der alten Bahntrasse, der heutigen Rheinbrückenstraße, ausgewiesen, das aber zunächst nur langsam wuchs. Es entstanden dort einige schöne Villen an breit angelegten Straßenzügen und 1913 wurden hier die Viktor-von-Scheffel-Schule und 1961 die katholische Heilig-Kreuz-Kirche errichtet. Im 1902 teilweise auf ehemals Knielinger Gemarkung eröffneten Rheinhafen gaben viele neue dort angesiedelte Industriebetriebe auch der Knielinger Bevölkerung Arbeit. Diese Entwicklung wurde unterbrochen, als französische Truppen nach dem Ruhrkampf 1923 den Rheinhafen besetzten.

Als Knielingen 1935 von den Nationalsozialisten zwangsweise in die Stadt Karlsruhe eingemeindet wurde, war schon mit den Notstandsarbeiten an der neuen festen Rheinbrücke begonnen worden, die auch zahlreiche Arbeitslose beschäftigten. Wenige Jahre später wurde mit einer Bunkerlinie am Rhein der Westwall errichtet, der jedoch nicht vor den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg schützen konnte, denen vor allem Maxau und die Rheinbrücke sowie das Industriegebiet im Rheinhafen zum Opfer fielen, während sich die Schäden im Ort selbst in Grenzen hielten. Das Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit wurde schon wenige Jahre nach Kriegsende in Knielingen durch die Ansiedlung der riesigen Werksanlagen der Siemens AG am südlichen Ortsrand unterstützt. Für die Beschäftigten wurden Wohnungen erstellt und es entstand ein kleines Geschäftszentrum am Elsässer Platz. Der Charakter des Ortsbildes veränderte sich auch durch die neue Verkehrsplanung mit der Südtangente bzw. der B 10, die über die 1966 neu erbaute Rheinbrücke führt. Trotzdem ist bei diesen Veränderungen der alte Ortskern nicht angetastet worden, so dass nach dem Karlsruher Stadtentwicklungsplan seine "Bedeutung für die Bürger erhalten" blieb.

Mit der deutschen Einheit 1990 und dem Abzug der amerikanischen Truppen eröffneten sich auch für Karlsruhe und Knielingen neue Möglichkeiten der Stadtentwicklung. Die noch während der nationalsozialistischen Herrschaft errichteten Bauten der Rheinkaserne im Norden des Stadtteils wurden abgerissen und es entstand dort ein Baugebiet aus Wohnhäusern für 1.500 Menschen. Zudem wurde dort mit einem Senioren- und Pflegeheim, Kindergärten, Spielplätzen, Gastronomie und einem Nahversorgungszentrum auch eine neue Infrastruktur für den ganzen Stadtteil geschaffen. Von der alten Bebauung blieben lediglich das Offizierscasino, heute Sitz einer Brauereigaststätte, und die unter Denkmalschutz stehende Garnisonskirche der Amerikaner übrig. 2020 erhielt Knielingen auch dort einen Straßenbahnanschluss. Begleitet wurde dieser Stadtteilentwicklungsprozess durch ein Bürgerbeteiligungsverfahren, an dem sich unter anderem auch der Bürgerverein beteiligte. Heute ist die Einwohnerzahl des Stadtteils auf über 11.000 Menschen gewachsen, während sie nach der ersten gesicherten Einwohnerzahl im Jahre 1714 noch bei lediglich 570 Personen lag. Er wird noch heute durch ein lebendiges Vereinsleben geprägt, das auf alten Traditionen aufbaut und sich in der Errichtung der Sängerhalle, der Pferderennbahn und weiterer Sport- und Vereinsstätten südlich und nördlich der Alb manifestiert hat.

Peter Pretsch 2022

Quellen

Vorortarchiv Knielingen im Stadtarchiv Karlsruhe 5/Knielingen.

Literatur

Herbert Peter Henn u. a.: 1200 Jahre Knielingen 786-1986, hrsg. vom Bürgerverein Knielingen, Karlsruhe 1986; Peter Pretsch: Karlsruher Stadtteile Knielingen, Begleitband der Ausstellung zur 1200-Jahr-Feier, Karlsruhe 1986; ders.: Spazierwege durch Karlsruhe 3. Knielingen, hrsg. vom Stadtplanungsamt, Karlsruhe 1987; Heinz Schmitt: Der Raum Karlsruhe vor der Stadtgründung, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, S. 15-63, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 2. Mai 2023); Knielingen 2030 - Stadtteilentwicklungsprozeß, hrsg. 2015 von der Stadt Karlsruhe, https://web6.karlsruhe.de/Stadtentwicklung/PDF/BME/Knielingen-SWOT.pdf; Datenbank der Kulturdenkmale: Knielingen, https://web1.karlsruhe.de/db/kulturdenkmale/index.php?stadtteil=Knielingen&vid=100 (jeweils Zugriff am 23. September 2022).