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Via Triumphalis


Eingang zur Via Triumphalis von Süden über das Ettlinger Tor, Sicht auf den Obelisken am Rondellplatz, um 1870, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVb 850.
Abschnitt der Via Triumphalis vom Rondellplatz mit dem Markgräflichen Palais bis zum Ettlinger Tor, um 1870, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS XIIIb 44.
Lageplan zur Via Triumphalis vom Marktplatz zum Ettlinger Tor, in: Weinbrenner, Architektonisches Lehrbuch 1824, III. Theil, 6. H., Tab. XLII.

Via Triumphalis

Die Bezeichnung Via Triumphalis für die zentrale Nord-Süd-Achse der Stadt vom Schloss bis zum Ettlinger-Tor-Platz ist erst im Nachhinein vom Karlsruher Bauhistoriker und Denkmalpfleger Arthur Valdenaire geprägt worden. Sie steht für eine Abfolge repräsentativer Plätze mit Denkmälern und Gebäuden im klassizistischen Stil vom Schlossplatz, über die Karl-Friedrich-Straße, den Marktplatz, den Rondellplatz bis zum Ettlinger Tor, die im Wesentlichen vom bedeutenden Karlsruher Baudirektor Friedrich Weinbrenner seit 1801 ausgeführt wurden.

In den 50 Jahren von 1776 bis zum Todesjahr Weinbrenners 1826 war die Einwohnerzahl Karlsruhes um das Fünffache gewachsen. 1771 war die Markgrafschaft Baden-Baden an die von Baden-Durlach gefallen und diese in der Napoleonischen Zeit erst zum Kurfürstentum und 1806 zum Großherzogtum mit erheblichem territorialen Zugewinn geworden. Die darin begründete und von Weinbrenner geplante und gestaltete Erweiterung der Residenzstadt hätte auch einer deutlich größeren Stadt zur Zierde gereicht.

Dabei beruhte der Gedanke zu einer Prachtstraße als neue "triumphale" Ein- wie Ausfahrt zur Stadt bereits auf früheren Ideen. Das Fehlen schöner Plätze, eindrucksvoller Fassaden und Gebäude in der Stadt, abgesehen vom Schloss, wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Manko empfunden. 1768 legte die markgräfliche Schlossbau-Deputation daher architektonische Verbesserungs- und Erweiterungsvorschläge für die Residenzstadt vor. Diese sahen erstmals eine Stadterweiterung nach Süden über den Landgraben hinaus sowie die Anlage eines großen Marktplatzes an der Stelle des bisherigen vor. In der Folge präsentierten deutsche und internationale Baumeister Pläne für einen größeren Marktplatz mit monumentaler Prachtarchitektur als Auftakt einer Süderweiterung.

Auch der 26-jährige Karlsruher Architekt Friedrich Weinbrenner, gerade zur Ausbildung an der Akademie in Berlin, beteiligte sich unaufgefordert 1792 mit einem Entwurf für einen neuen Marktplatz. Der aufgeklärte Markgraf Karl Friedrich griff für die Stadterweiterung schließlich auf den 1797 von Weinbrenner vorgelegten Generalbauplan mit der Nord-Süd-Achse vom Schloss bis zu einem neu zu bauenden Stadttor im Süden zurück. Weinbrenner, inzwischen zum Baudirektor berufen, setzte seit 1801 die Erweiterung im Stil des Klassizismus auf dem barocken Grundplan von Karlsruhe mit notwendigen Anpassungen um. Darunter befand sich auch der Abriss der Konkordienkirche, an deren Stelle die Pyramide mit dem Grabmal des Stadtgründers Markgraf Karl Wilhelm errichtet wurde. Unter Weinbrenners zahlreichen Bauten kann die Via Triumphalis als sein Hauptwerk betrachtet werden, das bei seinem Tod 1826 nach über 25 Jahren Entwicklungs- und Bauzeit nahezu vollendet war.

Weinbrenners Gestaltung lag eine in allen Grundsätzen durchdachte klassizistische Planung zugrunde, sowohl in den Plätzen wie den Einzelbauwerken in ihrer Beziehung zum Ganzen. Dabei setzte er auch bewusst die klassische Trias der antiken Säulenkapitell-Formen ein. Für die Säulen des Ettlinger Tors wählte er die einfache dorische Form, für die des Rathauses die anspruchsvollere ionische und für die der Stadtkirche schließlich die prächtigere korinthische. Dies spiegelte er auch in den Wohnhäusern, für sein eigenes Wohnhaus stadteinwärts beim Ettlinger Tor wählte er dorische Säulenkapitelle, das Markgräfliche Palais versah er mit korinthischen.

Das Ende der einheitlichen architektonischen Gestaltung der Via Triumphalis markierte 1872 der Abbruch des Ettlinger Tores als Verkehrshindernis. Nur ein Jahr später musste Weinbrenners direkt daneben gelegenes Haus dem Gründerzeitbau des Luxushotels Germania weichen. Und auf der gegenüberliegenden östlichen Seite wurde nach dem Abbruch einer zum Markgräflichen Palais gehörenden Brandmauer 1875 der Malsch-Brunnen gesetzt, der 1963 abgebrochen wurde. Das im Stil der Neo-Renaissance 1899 fertiggestellte Bezirksamt, heute Polizeirevier, ersetzte am südöstlichen Marktplatz einen Weinbrennerbau.

Die größte Zäsur stellten die Zerstörungen durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg und der folgende Wiederaufbau dar. Entlang der Straßenführung wurden die klassizistischen Wohngebäude entweder in vereinfachter Form wiederaufgebaut, wie die Karl-Friedrich-Straße 14-16, oder durch Neubauten der Nachkriegsmoderne ersetzt. Besonders davon betroffen ist der Rondellplatz mit seinen Anfang der 1960er-Jahre gestalteten anspruchslosen Fassaden der Geschäftshäuser auf der nördlichen Seite und den vereinfachten Flügelbauten des Markgräflichen Palais. Nur dessen Mittelbau ist beim Wiederaufbau rekonstruiert worden. Die ein ganzes Quartier einnehmende Einkaufsmall des ECE-Centers hat aus dem schon 1872 im Stil der Neo-Renaissance veränderten Wohnhaus am Rondellplatz allein dessen Fassade eingegliedert. Nachdem der Straßenbahnverkehr durch die U-Stadtbahn in den Untergrund verlegt wurde und den Obelisken des Großherzog-Karl-Denkmals nicht mehr umrundet, ist die Platzmitte wieder ihrem ursprünglichen Aussehen nahe. Heute gibt allein der Marktplatz mit den beim Wiederaufbau rekonstruierten Fassaden seiner umliegenden Bauten einen Eindruck des einstigen Hauptwerks Weinbrenners.

Mit der Verlegung des Alten Bahnhofs 1913 nahe dem Ettlinger Tor setzten fortdauernde Planungen zur Gestaltung der erweiterten Nord-Süd-Achse ein, in der NS-Zeit wuchsen sie durch den Stadtplaner Carl Peter Pflästerer im Rahmen einer Neugestaltung der Stadt im Sinne der NS-Ideologie ins Megalomanische. Nach 1950 beschränkten sich die Planungen, die inzwischen auch im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts fortgeführt werden, wieder mehr um den Ettlinger-Tor-Platz. Während dieser ganzen Zeit war der Begriff Via Triumphalis in Vergessenheit geraten. Lediglich der vom Stadtplanungsamt und der L-Bank 1996 ausgeschriebene Architektenwettbewerb "Karlsruhe: vom Schlossplatz zum Kongresszentrum – via triumphalis – 2022" nutzte diese Bezeichnung. Abgesehen vom Kongresshotel am Festplatz wurde von den eingereichten und siegreichen Entwürfen bis heute keiner realisiert.

Jürgen Schuhladen-Krämer 2022

Literatur

Gottfried Leiber: Friedrich Weinbrenners städtebauliches Schaffen für Karlsruhe, Teil 1: Die barocke Stadtplanung und die ersten klassizistischen Entwürfe Weinbrenners, Karlsruhe 1996, Teil 2: Der Stadtausbau und die Stadterweiterungsplanungen 1801–1826, Mainz 2002; Gerhard Everke: Die Plätze der "via triumphalis", in: Stadtplätze in Karlsruhe, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Manfred Koch, Karlsruhe 2003, S. 38-82 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 26); Gerhard Kabierske: Die "Via Triumphalis" – Weinbrenners neues Zentrum von Karlsruhe, in: Friedrich Weinbrenner 1766–1826. Architektur und Städtebau des Klassizismus, hrsg. von Stadt Karlsruhe - Städtische Galerie, SAAI, Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau am KIT, Karlsruhe 2015, S. 220-283; Rudolf J. Schott: Von Planungszeiten und Überraschungen. Zur Südentwicklung der Karlsruher Innenstadt, in: Blick in die Geschichte, Bd. 4 (2003-2008), S. 157-162; Harald Ringler: Stadtbaugeschichte Karlsruhe 1715-2000, Ubstadt-Weiher, Heidelberg, Speyer, Stuttgart, Basel 2021, S. 230-250, 361-363 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 36).