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Kunstgenossenschaft Karlsruhe


Kunstgenossenschaft Karlsruhe

1856 wurde in Bingen am Rhein die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft gegründet, die als reichsweite Vertretung der bildenden Künstler eine nationale Kunst wiederbeleben und durch die Organisation großer nationaler Kunstausstellungen das materielle Wohl des Künstlerstandes heben wollte. Bis 1900 entstanden in 20 deutschen Städten Ortsvereine, sogenannte Lokalgenossenschaften, welche die Arbeit der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft nicht nur unterstützen, sondern auch auf lokaler Ebene eigene Ausstellungen organisieren sollten.

Karlsruhe gehörte zu jenen Städten, in denen bereits vor der Reichsgründung 1871 ein solcher Ortsverein entstand. Im Mai 1861 übernahm der Vorstand des Karlsruher Künstlervereins, dem Carl Friedrich Lessing, Johann Wilhelm Schirmer, Adolf Schroedter, Ludwig Des Coudres, Jakob Vollweider und zwei weitere Kunstmaler angehörten, als Lokal-Comite der deutschen Kunstgenossenschaft für Karlsruhe die Aufgabe, die in diesem Jahr in Köln stattfindende zweite Allgemeine Deutsche Kunstausstellung mit einer entsprechenden Abteilung badischer, insbesondere Karlsruher Kunst zu beschicken.

Durch die Personalunion von Vereinsvorstand und Lokalkomitee wurde bereits 1864 die Bezeichnung Künstlerverein Karlsruhe durch Kunstgenossenschaft Karlsruhe ersetzt. Da die Karlsruher Kunstgenossenschaft der einzige Ortsverein im Großherzogtum Baden war, erstreckte sich ihre Tätigkeit auf die Karlsruher und badische Künstlerschaft. Hieraus resultierte, dass auch nicht in der Haupt- und Residenzstadt ansässige badische Künstler wie Otto Heinrich Propheter, Albert Kindler oder Karl Lindemann-Frommel, der Sohn des ehemaligen Karlsruher Galeriedirektors Carl Ludwig Frommel, Mitglieder des Karlsruher Vereins waren.

Der jährlich gewählte Vorstand setzte sich in den ersten Jahrzehnten mehrheitlich aus Lehrern der Großherzoglichen Kunstschule und späteren Akademie zusammen, weshalb ein großer Teil der Vereinsmitglieder auch aus der ehemaligen Schülerschaft kam. Nach Schirmers Tod 1863 rückten zum Beispiel die Professoren Feodor Dietz und Hans Gude in den Vorstand nach. Bis zur Spaltung der Karlsruher Kunstgenossenschaft und Gründung des Künstlerbundes Karlsruhe im April 1896 gehörten daher nahezu alle bedeutenden Lehrer und Schüler dem Verein an wie Hermann Baisch, Julius Bergmann, Walter Conz, Edmund Kanoldt, Otto Fikentscher, Carlos Grethe, Franz Hein, Leopold Graf von Kalckreuth, Friedrich Kallmorgen, Gustav Kampmann, Ferdinand Keller, Robert Poetzelberger, Wilhelm Riefstahl, Caspar Ritter, Gustav Schönleber, Ernst Schurth, Carl Johann Steinhäuser und Hermann Volz.

Durch die Berufung Schönlebers und Baischs an die Karlsruher Kunstschule 1880 und 1881 und die Entstehung der Grötzinger Malerkolonie durch Kallmorgen, Kampmann, Fikentscher und andere ab 1889 bildete sich neben dem etablierten konservativen Künstlerkreis um Keller und Ritter eine zweite, kleinere Gruppe, deren Fokus auf einer regionalen Kunst lag. Die unterschiedliche Kunstauffassung führte während der Vorbereitungen für die Große Berliner Ausstellung anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der dortigen Akademie am 16. April 1896 zum Austritt von 24 Künstlern aus dem Ortsverein und zur Gründung des Künstlerbundes Karlsruhe am 25. April des Jahres. Auf den großen nationalen und internationalen Kunstausstellungen präsentierten sich die Karlsruher Kunstgenossenschaft und der Karlsruher Künstlerbund von nun an als zwei gesonderte Vereinigungen.

Von der Kunstgeschichtsschreibung unbeachtet blieb bisher die Tatsache, dass der Künstlerbund spätestens 1903 mit 38 Mitgliedern als zweiter Karlsruher Ortsverein wieder der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft beitrat. Spätestens seit 1916 bestand sogar noch eine dritte Ortsgruppe unter der Leitung von Caspar Ritter.

Mit dem Ausscheiden Ferdinand Kellers aus dem Vorstand des rund 100 Mitglieder umfassenden Karlsruher Ortsvereins I 1906/07 verlor dieser seinen wichtigsten Repräsentanten. Auf den Ausstellungen der folgenden Jahre in Baden und der Pfalz finden sich in der Regel nur noch Namen, von denen kaum einer überregionale Bedeutung erlangt hat, wie zum Beispiel der von Resi Borgmann oder Paul von Ravenstein, einem ehemaligen Mitglied des Karlsruher Künstlerbundes.

1921 wurde die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft durch den Reichswirtschaftsverband bildender Künstler Deutschlands ersetzt, wodurch sich allerorts die noch verbliebenen Lokalgenossenschaften aufzulösen begannen. Im Karlsruher Adressbuch von 1923 (Stand: Mitte Oktober 1922) wird der Karlsruher Ortsverein I ein letztes Mal erwähnt.

Katja Förster 2021

Quellen

Karlsruher Tagblatt vom 12. Mai und 3. Juni 1861, 31. Januar 1864, https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/date/day/2411037?d=1861-05-12 (Zugriff am August 2021); Karlsruher Zeitung vom 9. Mai 1861; Karlsruher Nachrichten. Specialorgan für Lokalangelegenheiten vom 30. Mai 1873, StadtAK 8/Ze 4; Kunsthandbuch für Deutschland, hrsg. von den Königlichen Museen zu Berlin, 1904, S. 596, 605; Die Werkstatt der Kunst. Organ für die Interessen der bildenden Künstler, Heidelberg, 8. Jg., 1908/09, S. 315; Karlsruher Adressbücher 1859 ff.

Literatur

Leopold von Pezold: Karlsruher Kunst-Genossenschaft, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Bd. 6, 1900, S. 437-447; Kunst in Karlsruhe 1900-1950, hrsg. von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe 1981.